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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aussehende, von den Damen der sizilianischen Gesellschaft umschwärmte Mann, jetzt noch intensiver auf die weibliche Psyche wirkend, nachdem seine Schläfen weiß schimmerten und sein sonnenbraunes Gesicht eckiger, zerfurchter geworden war.
    Aber er war stiller geworden, wortkarg, oftmals beleidigend stumm, was die Frauen als Zeichen großer geistiger Konzentration werteten und entschuldigten. Wenn er nicht in der Klinik war, operierte oder sich um die erstaunlich schnell genesenden Patienten kümmerte, fuhr er am liebsten mit der Motoryacht an der Küste Siziliens entlang, lag auf dem Sonnendeck und grübelte darüber nach, wie sein Leben in einigen Jahren aussehen würde. Reich würde er sein, keinen Wunsch würde er sich versagen müssen – aber der Preis würde der gleiche sein wie heute: Immer wieder die fürchterliche Liftfahrt in die Tiefe der Keller, in die Operationsräume, wo Todkranke durch seine Hände gerettet wurden und gleichzeitig blühendes Leben vernichtet wurde.
    Die Ehrenwerte Gesellschaft beaufsichtigte ihn nicht mehr, zumindest merkte er es nicht. Es war ihm klar, daß er aus der Ferne beobachtet wurde und daß man sofort eingreifen würde, wenn er einen neuen Ausbruch versuchte. Die einzige Waffe der Mafia gegen ihn war Loretta. Sie würde immer das Opfer sein. Es gab keine zuverlässigere Fesselung als seine Liebe zu Loretta.
    Im Mai 1969 hatten sie geheiratet. Wie Dr. Soriano es versprochen hatte: Es war eine Hochzeit gewesen, die nur noch mit den glanzvollsten Festen der Renaissancefürsten verglichen werden konnte. Vier Tage lang dauerten die Feierlichkeiten: von der kirchlichen Trauung bis zu einem Feuerwerk, an dem ganz Palermo teilnehmen konnte, weil es im Hafen stattfand und die Stadt in einen farbigen, zuletzt goldenen Sternenregen hüllte. Im Park an der Via della Liberta baute man riesige Kessel auf, auch Wurstbratstände, Weinpavillons und einen mächtigen Grillspieß. Dr. Soriano, Dr. Monteleone und seine wunderschöne Frau Loretta luden die Armen von Palermo zum Essen ein. Von 11 Uhr mittags bis tief in die Nacht hinein saßen die Obdachlosen, die Bettler und Alten an langen Holztischen, bekamen eine Gemüsesuppe, Würste, gebratenes Ochsenfleisch und roten Wein serviert; das Hochzeitspaar, der strahlende Brautvater und zehn seiner Freunde, alles bekannte und reiche Bürger der Stadt, bedienten die schmatzenden Gäste. Man zählte, als man nach Mitternacht den Park schloß, über zweitausenddreihundert Menschen, die das Geschenk, sich einmal wie ein wohlhabender Mann satt essen zu können, dankbar angenommen hatten. Ein Fest, das Palermo nicht vergessen würde.
    Nur eine Einschränkung gab es. Fotografieren durften nur zugelassene Fotografen. Sie mußten die Negative beim Anwaltsbüro Dr. Soriano abgeben, und dort wählte man die Bilder aus, die an die Presse weitergegeben werden durften. Wer dennoch fotografierte, ob er Gast war oder nur Passant, erlebte verblüfft, daß Sorianos Überwachung lückenlos funktionierte. Plötzlich standen neben ihm zwei höfliche Männer, verlangten den Apparat, und wer ihn nicht hergeben wollte, auch nach intensivem Zureden nicht, erhielt eine Lektion über sizilianische Überzeugungskunst. Der Apparat wurde ihm aus der Hand gerissen und gegen einen Baum geschmettert, und man hatte die Wahl, entweder dem Apparat zu folgen oder sich in sein Schicksal zu fügen. Die Carabinieri, die überall herumstanden und für Ordnung sorgten, blickten in solchen Fällen immer in eine andere Richtung. Wurden sie trotzdem eingeschaltet, so nahmen sie grundsätzlich den Geschädigten mit auf die Polizeistation – weil er so laut schrie, während der Angeschuldigte sich gesittet betrug –, verhörten ihn gründlich, fertigten ein Protokoll an und sagten ihm dann: »Signore, wir bemühen uns, Sie sehen es! Aber ob wir in dieser Menschenmenge den Kerl noch finden …?« Es war klüger, gleich zu resignieren.
    Eine Hochzeitsreise unternahmen Loretta und Volkmar nicht. Sie blieben lediglich acht Tage auf der Yacht, kreuzten vor der nordafrikanischen Küste und waren glücklich, solange sie allein waren. Bei der Rückkehr, als sie von weitem die Silhouette von Palermo auftauchen sahen, bekam sie das Grauen wieder in den Griff.
    Morgen! Wieder die Mafia-Klinik. Keine neue Transplantation – aber die Herzbank wurde laufend aufgefüllt. Zwei Fälle – ein Emir aus Arabien und der Bankier Leone Tortalla aus Mailand – hatten gezeigt, daß man auch Herzspender mit
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