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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Autoren: Polina Daschkowa
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zur Avantgarde-Mode. Zum Dessert wurde Pikantes serviert: Ein bebilderter Bericht über das Nachtleben in einer bekannten Homosexuellen-Bar. Und als Sensation die Entdeckung eines neuen Virus, der die männliche Potenz angeblich ins Unermessliche steigert. Plus eine neckische Reportage von einer schwarzen Messe oder von einem echten Satanistensabbat auf einem Moskauer Vorortfriedhof.
    Normalerweise herrschte nach der Fertigstellung einer Nummer, wenn sämtliches Material zum Druck nach Finnland abgeschickt war, in der Redaktion einige Tage lang selige Ruhe. Diese Zeit liebte der stellvertretende Chefredakteur Oleg Solodkin am meisten. Dann erschien er früher zurArbeit als sonst, gegen zehn, kochte sich einen starken Kaffee, schaltete den Computer ein, schob eine Beatles- oder Rolling-Stones-CD ins Laufwerk, rauchte Kette und versuchte, etwas Geniales zu schöpfen.
    Oleg war vom ersten Tag an bei »Blum«, der Chefredakteur war ein Kommilitone von der Filmhochschule. Sie hatten das Magazin zusammen gegründet.
    Oleg lebte in einer Fünfzimmerwohnung mit seiner Mutter und seiner Frau Xenia, die halb so alt war wie er und ihm vor drei Monaten eine Tochter geboren hatte. Außerdem besaßen sie eine solide winterfeste Datscha bei Moskau. Doch all das gehörte allein seiner energischen Mutter Galina. Das winzige Büro in der Redaktion war der einzige Ort, wo Oleg sich frei fühlte.
    Am Donnerstag, dem 8. Juni um elf herrschte in Olegs geliebtem Büro eine so sanfte, frische Stille, dass er nicht einmal Musik einlegte. Er saß bereits über eine Stunde vor dem Computermonitor. Seine schmalen, trägen Finger lagen auf der Tastatur und zitterten merklich. Auf dem weißen Bildschirm stand in fetter Schrift: »Kreativität ist ein Akt seelischen Exhibitionismus. Nikolai Gogol ließ seine Nase künstlich verlängern, damit sie dem Zeugungsorgan ähnelte.«
    Er brütete über einem Artikel zum Thema: »Alle Genies sind verrückt«, als das Haustelefon klingelte.
    »Oleg Wassiljewitsch, hier sind zwei Mädchen, die wollen zu Ihnen«, sagte der Sicherheitsmann.
    »Was für Mädchen?« Oleg verzog das Gesicht und wollte schon sagen, dass er nicht gestört zu werden wünsche, da verkündete der Sicherheitsmann spöttisch: »Zwei gleiche.«
    Oleg wusste, wen er meinte. Siebzehnjährige Zwillinge, sehr hübsch. Er hatte sie vor einem halben Jahr kennengelernt und ihnen törichterweise seine Telefonnummer gegeben. Seitdem riefen sie regelmäßig an und waren schon mehrmals in der Redaktion erschienen, einfach so, zu Besuch. Einer der Hausfotografen des Magazins war auf sie aufmerksam geworden,hatte ihnen seine Visitenkarte in die Hand gedrückt und versprochen, sie aufs Titelblatt zu bringen.
    »Okay, lass sie rein«, sagte er.
    Kurz darauf war das winzige Büro von melodischem Lachen und dem Geruch eines starken süßen Parfüms erfüllt. Bevor die Mädchen den Hausherrn begrüßten oder zumindest beachteten, richteten sie ihr Haar und zogen sich vorm Spiegel die Lippen nach, setzten sich auf die Lehnen des einzigen Sessels, zündeten sich gleichzeitig eine Zigarette an und geruhten erst dann, im Chor zu zwitschern: »Hallo! Wie geht’s?« Um daraufhin erneut zu kichern.
    Sie waren hübsch und frech. Hochgewachsen, schlank, mit langem blondem Haar und regelmäßigen Puppengesichtern. Ihre absolute Ähnlichkeit verdoppelte den Effekt, und das wussten sie und verhielten sich, als sei ihre Anwesenheit ein großes, unverdientes Geschenk für jeden. Sie kleideten sich meist gleich, doch diesmal trugen sie Minikleidchen von verschiedener Farbe. Die eine in Weiß, die andere in Schwarz.
    »Und, wo ist Ihr Fotograf?«, fragte das Mädchen in Weiß.
    »Wieso gibt er uns eine Telefonnummer, unter der er nie zu erreichen ist?«, ergänzte das Mädchen in Schwarz.
    »Ich habe eigentlich zu tun«, antwortete Oleg mürrisch, bemüht, die beiden nicht anzusehen.
    »Dann rufen Sie den Fotografen zu Hause an. Auf der Visitenkarte steht nur die Telefonnummer der Redaktion und die vom Fotostudio. Keine Privatnummer.«
    »Gut.« Oleg nickte. »Ich werde ihn anrufen. Aber jetzt habe ich keine Zeit.«
    »Eine Nummer wählen dauert doch nicht ewig!«
    Na schön, dachte Oleg gereizt, wenn dieser Idiot versprochen hat, sie auf die Titelseite zu bringen, soll er sich gefällig selbst mit ihnen rumärgern.
    Er blätterte in seinem Notizbuch, schrieb die Privatnummer des Fotografen auf einen Zettel und reichte ihn den Mädchen.
    »So, und jetzt geht, ich habe
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