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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Autoren: Polina Daschkowa
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zu tun.«
    »Oje, seine Hände zittern ja«, bemerkte die Weiße mitfühlend und griff nach dem Zettel. »Zu viel getrunken gestern?« Sie zwinkerte fröhlich und sah Oleg aus klaren, reinen, himmelblauen Augen an.
    »Nein«. Die Schwarze schüttelte den Kopf. »Wodka – das ist viel zu grob. Oleg hat einen exquisiten Geschmack.«
    »Ich vermute, Oleg als echter Aristokrat ist auf Koks oder Heroin«, sagte die Weiße.
    »Schluss jetzt, Mädels, ich habe zu tun«, knurrte Oleg und starrte auf den Computerbildschirm. Das Zittern wurde immer stärker.
    »Können wir den Fotografen nicht von hier aus anrufen?«, fragte die Schwarze.
    »Nein. Ich habe zu tun.«
    »Ach ja, ständig am Schreiben«, seufzte die Weiße. »Woran arbeiten Sie denn gerade?«
    »Das geht dich nichts an.« Oleg spürte, dass sein Hemd unter den Achseln ganz nass war.
    »Nein, wie grob.« Die Schwarze schüttelte traurig den Kopf. »Sie sind doch ein guter Mensch, Oleg, Sie sind so nett. Aber Sie haben wohl gerade Unannehmlichkeiten und sind deshalb so nervös? Wir helfen Ihnen gern, sich zu entspannen.« Sie schloss die Augen und fuhr sich langsam mit der Zunge über die Lippen.
    »Geht ihr nun endlich?« Oleg ballte so heftig die Fäuste, dass die Fingernägel sich in die Handfläche bohrten. »Ich rufe gleich den Sicherheitsdienst, die schmeißen euch raus.«
    »Was haben wir Ihnen denn getan?« Die Weiße lächelte entwaffnend. »Wir meinen es doch nur gut mit Ihnen.«
    »Geht jetzt, bitte, geht«, stöhnte Oleg und setzte kaum hörbar hinzu: »Das ist unerträglich.«
    »Können wir Nikolai von hier aus anrufen?«, fragte die Weiße mit gesenktem Kopf. »Nur ein kurzer Anruf, und wir sind wieder weg.«
    Oleg griff wortlos zum Telefon, wählte die Privatnummer des Fotografen, lauschte eine Weile dem Amtszeichen, dachte schon, Nikolai sei nicht zu Hause, und wollte wieder auflegen, als sich eine hohe Stimme verschlafen meldete: »Hallo?«
    »Hallo, Nikolai«, knurrte Oleg, »hast du den Zwillingen versprochen, ein Titelfoto von ihnen zu machen?«
    »Oleg, ich schlafe noch«, verkündete Nikolai laut gähnend.
    »Du schläfst, und die Mädchen sitzen hier und halten mich von der Arbeit ab. Du hast ihnen was versprochen, also kümmere dich um sie.« Er übergab den Hörer dem Mädchen in Weiß.
    Die Zwillinge verabredeten sich mit dem Fotografen, dann verabschiedeten sie sich höflich von Oleg und gingen.
    Als die Tür hinter ihnen zugefallen war, brauchte Oleg lange, um sich eine Zigarette anzuzünden, so heftig zitterten ihm die Hände. Nach einem ersten langen Zug machte er sich mit ein paar obszönen Beschimpfungen Luft, die nicht den beiden Mädchen galten, sondern ihm selbst, bewegte die Maus, um den Bildschirmschoner zu deaktivieren, und rang um den Beginn des Artikels über verrückte Genies. Doch sein Kopf war leer. Mindestens zehn Minuten saß er so da. In seinem Mundwinkel zitterte die erloschene Zigarette. Eine dicke Fliege setzte sich auf den Monitor.
    Oleg spuckte den Zigarettenstummel auf den Fußboden, pustete auf die Fliege, und wieder tauchte der Bildschirmschoner auf – ein Ziegellabyrinth. Die Fliege drang mühelos durch das Glas in das Computerlabyrinth ein, kroch erst langsam, beinahe widerwillig, dann immer schneller. Oleg beobachtete, wie das unappetitliche Insekt mit den schillernden Flügeln zitterte und hektisch die dünnen Drahtbeinchen bewegte. Im Inneren des Computers ertönte ein widerliches Brummen. Das Labyrinth füllte sich mit fetten weißen Maden, sie krochen herum und verschmolzen zu weichen, eiförmigen Körpern. Oleg bewegte die Maus, das Labyrinthverschwand, doch statt Buchstaben glitten schwarze Fliegen über den Bildschirm.
    »Nach einer Aussage des Dichters Jasykow erzählte Gogol einmal, er sei in Paris von berühmten Ärzten untersucht worden, und die hätten festgestellt, dass sein Magen verkehrtherum im Bauch liege«, tippte Oleg rasch, konnte das Geschriebene jedoch nicht lesen. Er sah nur fette Fliegen, keinen einzigen Buchstaben. Die Insekten gelangten direkt aus seinem Kopf in den Computer. Sein Schädel war voller Fliegen, sie summten unerträglich laut, krochen durch seine Gehirnwindungen und legten dort Eier. Ein heftiger, ziehender Schmerz sprengte seinen Kopf, lief durch Wirbelsäule und Rippen und ergriff rasch und unerbittlich von seinem gesamten Körper Besitz. Kein einziger Knochen war mehr ohne Schmerzen. Tränen spritzten ihm aus den Augen, eine Gänsehaut überzog seinen Körper, der
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