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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Autoren: Polina Daschkowa
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sollen die Tür aufbrechen!«
    »Das ist unmöglich, erstens ist es eine Stahltür, zweitens kriegen wir gewaltigen Ärger mit Madam Solodkina, und außerdem …« Doch nach einem Blick in Jewgenijas Gesicht verstummte er und sagte rasch in den Hörer: »Versucht die Tür aufzubrechen, verschafft euch so schnell wie möglich Zutritt. Über den Balkon, die Feuertreppe, egal wie. Beeilt euch!«
     
    Nach dem Schuss herrschte Stille. Auch Mascha hatte aufgehört zu weinen. Sie zitterte und schluchzte leise. Aus der Ferne, wie von einem anderen Planeten, hörte Xenia das Zwitschern der Türklingel. Der Mörder verhielt sich still, er wartete vermutlich, bis wieder Ruhe eintrat.
    »Sie dürfen nicht weggehen. Aber sie können auch nicht in die Wohnung«, flüsterte Xenia, die Lippen an Maschas Wange gepresst. »Gleich begreift er, dass er keine Zeit mehr hat, und dann rastet er aus.«
    Das Klingeln verstummte, und sofort krachte ein weiterer Schuss gegen ihre Tür. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, aber ihr Kopf war erstaunlich klar. Sie ging zum Fenster. Unter ihr die steile Hauswand, rechts die Hausecke, links die Balkonbrüstung; den Fenstersims ersetzte ein Plastikkasten mit Vergissmeinnicht. Zwischen ihm und dem Balkon lag höchstens ein halber Meter. Die Balkonbrüstung war breit.Der Blumenkasten war nur angeschraubt und würde das Gewicht eines Menschen keine Sekunde aushalten.
    Die Balkontür führte ins Nebenzimmer und war von innen verschlossen, so dass man von dort unmöglich in den Flur und zur Wohnungstür gelangen konnte. Das war absoluter Wahnsinn! Sie zwang sich, den Blick von der Balkonbrüstung zu lösen. Neunter Stock. Blieb nur noch, sich im Schrank zu verstecken. Total sinnlos.
    Trotzdem riss sie die Schranktür auf. Ihr Blick fiel auf ein großes, breites Bügelbrett. Die Türklinke zitterte und bewegte sich, als sei sie lebendig.
    Er hat nur noch wenige Patronen. Er versucht, das Schloss mit dem Messer aufzubrechen, dachte Xenia mechanisch. Dabei zerrte sie schon das Bügelbrett aus dem Schrank. Ohne recht zu wissen, was sie damit vorhatte, schleppte sie es zum weit offenen Fenster.
    In der Ferne heulte eine Sirene, aber das hörte Xenia nicht. Ihr dröhnten die Ohren vom eigenen Herzschlag und von Maschas verzweifeltem Weinen. Das eine Ende des Bügelbrettes fiel schwer auf die Balkonbrüstung, das andere lag auf dem Fensterbrett, über dem Blumenkasten. Das Brett lag schräg und ziemlich unsicher.
    »Was tue ich da? Mein Gott, was tue ich?«, flüsterte Xenia und stieg aufs Fensterbrett.
    Der nächste Schritt schien ein Schritt ins Leere. Ein paar Sekunden lang konnte sie die Augen nicht öffnen. Es war still. Mascha hatte aufgehört zu schreien. Xenia vernahm ein Knacken. Als sie sich auf dem gefliesten Balkonboden ein Stück aufrichtete, sah sie hinter der Glasscheibe das Gesicht des Mörders. Er versuchte, die Tür zu öffnen, und kam mit dem Schloss nicht klar. Mascha schluchzte krampfhaft.
    Ich habe getan, was ich konnte, dachte Xenia erschöpft.
    Mit einem Ruck wurde die Tür einen Spalt geöffnet. Xenia konnte dem Mörder nur noch den Rücken zudrehen, um ihn nicht zu sehen und damit der erste Schuss nicht Mascha traf.
    Der Schuss ertönte im nächsten Augenblick, mit einem leichten Ploppen.
     
    »He, mach die Augen auf, komm schon! Es ist alles vorbei. He, du Kaskadeurin, hörst du mich? Sergej, hast du Salmiak dabei?«
    Ätzender Salmiakgeruch drang Xenia in die Nase. Sie öffnete die Augen und sah ein sommersprossiges Gesicht vor sich, einen roten Schnurrbart und grüne Augen. Sie lag auf dem Sofa im Wohnzimmer, mit einem Plaid zugedeckt. Um sie herum standen mehrere Männer in Tarnanzügen und kugelsicheren Westen. Einer hielt Mascha auf dem Arm.
    »Na, kleine Kaskadeurin, wie gehts dir?«
    »Wo ist er?«, fragte Xenia, mühsam die trockenen Lippen bewegend.
    »Du willst ihn sehen? Davon rate ich dir ab. Wir mussten ihm einen Fangschuss verpassen. Und wir haben eure Tür ein bisschen beschädigt, tut uns leid.«
    »Er ist tot?«
    »Ja, beruhige dich. Hier, trink einen Schluck Wasser. Du zitterst ja, ist dir kalt?«
    Xenia konnte nicht trinken, ihre Zähne schlugen heftig klappernd gegen das Glas. Vor ihren Augen verschwamm alles, und ein weiteres Gesicht beugte sich über sie, eine Frau mit einer grünen Mütze auf dem Kopf. Sie begriff, dass dies die Notärztin war, spürte, wie sie ihr den Puls fühlte und ein Augenlid anhob. Xenia hatte nicht die Kraft, sich zu rühren.
    Eine
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