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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Autoren: Polina Daschkowa
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lief zur Tür und trat mit den Füßen dagegen. Sweta erwachte und rief erschrocken: »He, spinnst du?«
    Ira ignorierte sie, traktierte weiter die Tür und schrie: »Aufmachen, ihr Scheißkerle! Lasst uns raus! Ich hasse euch!«
    Bei einem ungeschickten Fußtritt rutschte Ira an der Tür ab, glitt zu Boden und winselte leise. Sie glaubte, ihr großerZeh sei gebrochen. Sweta rannte zu ihr. Ira krümmte sich auf dem Boden und sagte unter Tränen immer wieder: »Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr!«
    Plötzlich presste Sweta ihr die Hand auf den Mund. Ganz in der Nähe krachte ein Schuss, dann noch einer. Sie hörten Füßetrappeln, eine MPi-Salve, dann war ein paar Sekunden Ruhe, und schließlich kamen schwere, rasche Schritte die Treppe heruntergepoltert. Sweta zerrte ihre Schwester von der Tür weg. Sie verkrochen sich in einer Ecke, aneinandergepresst, zitternd und weinend, genau wie vor siebzehn Jahren, als sie, zwei Monate alt, in eine zerlumpte Decke gewickelt, von einer Putzfrau auf der Toilette einer Frauenarztpraxis am Stadtrand von Moskau gefunden wurden.
    Schwere Fußtritte krachten von draußen gegen die Tür, dann rief eine Männerstimme: »Ich hab einen Schlüssel!«, die Tritte hörten auf, und das Schloss schnappte. Zwei breite Silhouetten standen in der Tür, und die Schwestern schrien beim Anblick der schwarzen Gesichtsmasken mit Mund- und Augenschlitzen auf. Ira kniff die Augen zu und schlug die Hände vors Gesicht. Sweta begriff als Erste, dass dies nicht die Gestalten ihrer nächtlichen Orgien waren, sondern Männer der Spezialeinheit der Miliz.

Vierunddreißigstes Kapitel
    Sowie ich ihn sehe, schieße ich. Ich darf nicht warten, er reagiert blitzschnell, er war schließlich mal Boxer. Und eine Waffe hat er bestimmt auch. Er darf gar nicht zur Besinnung kommen. Isolda hat gesagt, er ist jetzt da und bereit, mir ein Interview zu geben. Nein, Lilja, ich werde nicht danebenschießen. Dazu will ich ihn viel zu gern töten.
    Ferdinand trat auf einen schmalen Betonweg. Er verlief parallel zur Chaussee und führte direkt zum Tor. Rechts davon lag das Eichenwäldchen, links, zwischen dem Weg und derChaussee, standen hohe, dichte Jasminsträucher. Ihr Duft erinnerte ihn an das Parfüm »Diorissimo«, das Lilja viele Jahre benutzt hatte, und das verlieh ihm Ruhe und Sicherheit. Nur noch ein kleines Stück, noch hundert Meter, nur zweihundert Schritte, und er wird am Tor klingeln, Isolda freundlich anlächeln und das Haus betreten.
    Es raschelte im Gebüsch, und vor ihm stand plötzlich, wie aus dem Erdboden gestampft, Hauptmann Kossizki. Ferdinand erstarrte kurz und rannte dann nach links, zum Wäldchen. Es gab einen Umweg zum Haus, er hatte das Gelände genau studiert. Er wollte zu der kleinen Pforte laufen, durch die Lilja in jener verregneten Mainacht gegangen war.
    »Halt! Fjodor, bleib stehen!«, rief Kossizki ihm nach. Doch Ferdinand sah den Zaun des Heims schon vor sich und konnte sich nicht mehr bremsen. Die Pistole in der Tasche seiner leichten Windjacke schlug gegen seine Hüfte, er öffnete im Laufen die Tasche und presste die Hand um den kalten Griff. Die Pforte war weit offen, darin stand, wie erstarrt, eine kleine, dünne Silhouette, von hinten von einem Scheinwerfer angestrahlt, so dass ihr Kopf von einem feurigen Strahlenkranz umgeben war.
    Ferdinand war schon ganz nah, nur noch drei Schritte entfernt, als etwas dumpf gegen seine Brust schlug und ihn umwarf; er fiel auf den Rücken, ohne den Schuss gehört zu haben.
     
    Xenia war mit sich zufrieden. Am liebsten wäre sie Mitja, als sie seine Wohnung betrat, heulend um den Hals gefallen und hätte ihm alles erzählt, von dem Abend an, als sie im Regen auf dem Puschkinplatz auf ihn gewartet und sich anschließend um ein Haar vor die Metro geworfen hätte, bis zu dem heutigen Albtraum mit dem Psychopathen. Doch sie verschloss sich in Gedanken den Mund mit einem Pflaster.
    Mitja prahlte mit seinen Erfolgen im Studium und klagte über seine Einsamkeit und seine sinnlosen, vulgären Beziehungenzu Mädchen. »Kühl und langweilig. Ich weiß immer schon im Voraus, wie’s weitergeht. Und wie gehts dir so?«
    »Mir gehts ausgezeichnet«, antwortete Xenia und spürte, wie schwierig es war, mit einem Pflaster auf dem Mund zu lächeln, selbst wenn man sich das Pflaster nur einbildete. »Ich bin rundum glücklich.«
    »Liebst du deinen Mann?«, fragte Mitja heiser und wurde rot.
    »Aber ja! Und er mich auch, sehr sogar. Außerdem verstehe ich
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