Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Autoren: Polina Daschkowa
Vom Netzwerk:
ja noch nicht da, fünf Minuten haben wir noch.«
    »Schluss jetzt mit dem Theater«, füsterte Mitja. »Nein, dreh dich bitte nicht weg, sieh mir in die Augen. Im Krankenhaus hat man mir von deinem Mann erzählt. Er ist ein Junkie. Das mit der Fünfzimmerwohnung, der schicken Datscha und der millionenschweren Mama, das stimmt alles. Sieh mir bitte in die Augen! Warum hast du das getan?«
    »Was denn, Mitja?«
    »Das weißt du selbst. Warum hast du mir damals nicht gesagt, dass du schwanger bist?«
    »Wieso hätte ich es dir sagen sollen?« Xenia Lächeln war ein klägliches Zähneblecken. »Vielleicht damals im Krankenhaus, als wir uns das letzte Mal gesehen haben? Aber erstens waren da lauter fremde Leute, darunter auch deine aufregende Brünette, zweitens hast du mich nicht einmal bemerkt, und drittens wollte ich eigentlich einen Termin für eine Abtreibung, und wäre da nicht der Haufen Studenten gewesen, hätte ich ihn mir auch geholt. Gib mir das Telefon, ich will fragen, wo das Taxi bleibt.«
    »Mit dem Taxi ist alles in Ordnung. Als du Mascha gestillt hast, hab ich angerufen und den Wagen für eine Stunde später bestellt, für halb eins.«
    »Warum?«
    »Weil wir reden müssen. Als du heute angerufen und gesagt hast, dass dein Kind drei Monate und zwei Wochen alt ist, hab ich nachgerechnet. Dich selber kannst du belügen, so viel du willst, aber mir machst du nichts vor. Selbst wenn dein Solodkin ein herzensguter, grundanständiger Mensch wäre – trotzdem ist Mascha meine Tocher und nicht seine. Und daran wirst du dein Leben lang denken müssen.«
    »Und weiter?«, fragte Xenia leise.
    »Das musst du entscheiden. Damit das ein für allemal klar ist: Ich brauche niemanden außer dir und Mascha. Es ist dein gutes Recht, mir das nicht zu glauben. In jedem Mädchen, mit dem ich nach dir zusammen war, habe ich dich gesucht. Allerdings konnte ich mir das nicht sofort eingestehen. Also, Folgendes: Ich liebe dich und kann ohne dich nicht leben. Hast du gehört? Das sage ich nicht noch einmal.«
    »Was?« Xenia legte die Stirn in Falten und hielt sich die Hand ans Ohr. »Ich höre nichts. Sags noch mal!«
    »Ich kann ohne dich nicht leben«, rief er im Flüsterton, den Mund komisch aufgerissen.
    »Ich höre immer noch nichts!« Xenia schüttelte den Kopf.
    »Ich liebe dich!«
     
    Die rothaarige Larissa war auf Ferdinand zugegangen und hatte ihm in den Kopf geschossen, wie Mama Isa es befohlen hatte. Ein Schuss in die Brust, ein zweiter zur Kontrolle in den Kopf. Die Pistole hatte sechs Schuss. Dreimal konnte sie auf die Bullen schießen. Die letzte Patrone hob man für sich selbst auf. In welchem Film hatte sie das gesehen?
    Sie kamen auf sie zu, in kugelsicheren Westen, mit MPis, und sie schrien, das sah sie, konnte es aber nicht hören. In ihrem Kopf dröhnte Hardrock, ihr Schädel war ein Kassettenrekorder. Sie drehte sich um, um auf diejenigen zu schießen, die sich von hinten näherten, aber der Scheinwerfer blendete sie, und alle drei Schüsse gingen ins Leere. Sie erstarrte mitten auf der Wiese mit der letzten Patrone im Lauf und führte die Mündung langsam an ihre Schläfe. Ihr Arm war schwer wie Blei und wollte sich nicht bewegen, doch sie musste sich beeilen. Sie waren schon ganz nah, und sie waren alle noch am Leben, allesamt. Im Film war das immer anders, da traf der Held auf Anhieb, und die toten Feinde sanken zu Boden. Gut, dass sie Mama Isas wichtigsten Auftrag ausgeführt und den falschen Franzosen erledigt hatte. Wen wollte er hinters Licht führen, der unselige Bulle? Bevor man sich als französischer Journalist ausgibt, sollte man seine Zähne in Ordnung bringen lassen. Kein Ausländer lief mit derart verrotteten Zähnen rum. Larissa war sehr stolz, dass sie das als Erste bemerkt und es Mama Isa gesagt hatte, sobald er zum Tor hinaus war.
    Der dröhnende Hardrock in ihrem Kopf hinderte sie, sich daran zu erinnern, wie der Film hieß, den sie gerade nachspielte. Der Abzugshahn war so etwas wie die Stoptaste auf dem Rekorder. Ein Druck – und es wird still. Wenn sie ehrlich war, hatte sie das Dröhnen furchtbar satt. Aber ihr Finger verkrampfte sich, gehorchte ihr nicht, und sie wusste, dass sie den richtigen Moment verpasst hatte. Sie hätte sofort abdrücken sollen – bumm! – und aus. Nun würde sie nie werden wie ein richtiger Held. Sie hatte also nur so getan, inWirklichkeit gehörte sie in einen ganz anderen Film. Sie wollte weinen, die Hand mit der Pistole war schwach und schlaff, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher