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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Autoren: Polina Daschkowa
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gut und erklär mir: Warum darf ich nicht kommen?«, bellte er, griff nach der Serviette und schnäuzte sich geräuschvoll.
    »Weil ich dich nicht einlade«, antwortete sie höflich lächelnd.
    Der Mann schleuderte eine Schachtel Marlboro mit Menthol auf den Tisch und brauchte sehr lange, bis er endlich eine Zigarette herausgefischt und angezündet hatte.
    »Ich will aber kommen«, sagte er, nahm einen langen Zug und blies den Rauch durch die Nase aus. »Was heißt, du lädst mich nicht ein? Wir sind doch erwachsene Menschen!«
    »Du und erwachsen?« Sie lachte, und ihre kleinen weißen Zähnchen blinkten. »Du und erwachsen?«
    »Da gibt es nichts zu lachen. Ich habe schon ein Geschenk gekauft, und überhaupt, du hast keinerlei Rechte, nach den Papieren bist du niemand.«
    »Ach so?« Sie neigte den Kopf und hob die Brauen. »Tja, wenn du so anfängst – die echten Papiere liegen bei mir, sie sind unanfechtbar, und darin kommt dein Name nicht vor.« Lilja leerte ihr Wasserglas in einem Zug. »Wenn hier einer niemand ist, dann du, Oleg, nicht ich. Bedank dich bei deiner cleveren Mama. Das hat sie bestens arrangiert.«
    »Meine Mutter lass aus dem Spiel.« Oleg mied ihren Blick und starrte in seine Kaffeetasse. »Um sie geht es jetzt nicht. Ich soll also nicht kommen, ja? Und weiter?«
    »Weiter werde ich mich an offizielle Stellen wenden und die Fälschung der Papiere melden, und nicht nur das. Da ist noch etwas Ernsteres. Weit ernster.«
    »Hör mal, kannst du dich nicht klar ausdrücken statt in albernen Andeutungen?«
    »Vorerst nicht. Aber ich verspreche dir, meine unklaren Andeutungen werden bald glasklar sein.«
    »Was ist eigentlich passiert? All die Jahre hast du geschwiegen, und jetzt explodierst du auf einmal – wieso? Zehn Jahre lang warst du mit der Situation durchaus zufrieden, und nun willst du dich, wie du sagst, an offizielle Stellen wenden. Ans Gericht etwa?«
    »Genau, ans Gericht.«
    »Was wirfst du uns denn vor?«
    »Dir gar nichts. Aber deiner genialen Mutter habe ich etwas vorzuwerfen. Und zwar etwas sehr Ernstes, glaub mir.«
    »He, was soll das? Erklär mir, was du willst, lass uns in Ruhe darüber reden, wir werden uns schon einigen.«
    »Wir werden uns niemals einigen.« Lilja schüttelte ihr kurzes, gewelltes Haar. »Ich treffe mich nur mit dir, weil du mir leid tust. Aber dass du Bescheid weißt: Dieses Mitleid wird mich nicht von meinem Plan abbringen. So, Schluss jetzt.«
    »Schluss?«, kreischte der Mann plötzlich. »Was haben wir dir getan? Zehn Jahre kein Wort des Vorwurfs, und nun auf einmal, aus heiterem Himmel …«
    »Schrei nicht so, Oleg.« In ihren hellgrauen Augen blitzte Mitleid auf. »Du hast mir nichts getan, du bist vermutlich überhaupt zu keiner bewussten Handlung fähig. Aber deine Mutter … Egal, wie gesagt, lassen wir das lieber. Entschuldige, aber ich muss los.« Sie stand auf, maß ihn mit einem Blick von Kopf bis Fuß und sagte leise: »Du solltest etwas für deine Gesundheit tun, du siehst schlecht aus.«
    »Warte!« Er packte ihren Arm und riss so heftig daran, dass sie beinahe gestürzt wäre. »Setz dich, du hast mir noch immer nicht erklärt, warum ich nicht kommen darf.«
    »Kannst du dir nicht vorstellen, dass es mir wehtut, dich bei mir zu sehen? Stimmt, du hast nichts getan, aber dein Nichtstun war schlimmer als ein Verbrechen. Ich weiß, du warst noch hilfloser als Olga, aber sie ist tot, und du lebst. Komm nicht, ich bitte dich sehr.«
    »Meine Schuld ist also, dass ich noch lebe, ja? Tut mir leid, aber diese Schuld werde ich tilgen. Gib mir noch zwanzig, dreißig Jahre.«
    »Hör auf.« Lilja seufzte müde. »Musst du immer den Narren spielen?«
    Er öffnete den Mund, schüttelte den Kopf, stemmte die Ellbogen auf den Tisch, richtete sich auf, seine hervorquellenden braunen Augen blitzten, er wollte etwas Wichtiges, Heftiges sagen, brachte es aber nicht heraus. Seine Augen erloschen – so langsam wie das Licht im Kino.
    »Nimm wenigstens das Geschenk«, knurrte er und zog ein kleines rotes Etui aus der Tasche. »Es sind goldene Ohrringe, so was mag sie doch.«
    »Danke. Aber sie hat keine Ohrlöcher, das gäbe also nur Enttäuschung statt Freude. Die Zeitschrift nehme ich mit. Was bedeutet übrigens ›Blum‹?«
    »Nichts. Klingt einfach schön.«
    »Sind Artikel von dir drin?«
    »Nein. Wie gesagt, ich bin stellvertretender Chefredakteur, ich schreibe selten selbst«, erwiderte er mit abgehacktem mechanischemBass und sah ihr zum ersten Mal in die
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