Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus auf der Brücke

Das Haus auf der Brücke

Titel: Das Haus auf der Brücke
Autoren: Othmar Franz Lang
Vom Netzwerk:
sprang in die trübe Flut und begann zuerst die Ledersessel zur Treppe zu rollen. Vater war schon da und fluchte, und dann kamen Mutti und Spinne und Don und auch Bero. »Bero, du bleibst oben!« schrien wir alle.
    »Ich möchte aber auch helfen.«
    »Du mußt das Wasser beobachten«, sagte ich. »Du mußt melden, wenn es steigt, das ist ganz wichtig.«
    »Na gut«, sagte er. Das sagte er übrigens jetzt öfter, wenn er zu erkennen geben wollte, daß er nachgab. »Na gut, ich beobachte, ob das Wasser steigt.«
    »Mein Schreibtisch«, wimmerte Mutter. »Ich möchte das fertige Manuskript nicht noch mal schreiben. O Gott, hätt’ ich’s doch gestern noch zur Post gebracht!«
    Wir retteten zuerst das Manuskript, dann den Schreibtisch, und als wir alles nach oben gebracht hatten, was nicht niet- und nagelfest war, fiel uns die Küche ein. Wir retteten noch die Lebensmittel, so gut es ging, schalteten den Kühlschrank aus und kramten im Schrank nach einer alten Kochplatte und frühstückten dann oben.

    Jetzt erst sahen wir aus dem Fenster. Die Wiesen rings um den Bach standen unter Wasser, auf der anderen Seite, bachabwärts, war die neue Brücke nicht mehr zu sehen.
    »Ist die am Ende wieder eingebrochen?« fragte Mutter, ohne entsetzt zu sein.
    »Nein, ich denke, die ist dort, wo das Wasser solche Wirbel dreht.«
    Jetzt erst fiel Vater der Wagen ein. Wir rannten hinunter und atmeten erleichtert auf. Das Wasser stand zwar schon im Fond, aber der Motor sprang noch an, wir fuhren den Wagen auf die Wiese bis zur »Rose der drei Engel«, dort war der höchste Punkt. Notfalls konnten wir ihn hier noch auf Pflöcke bocken.
    »Was denkt ihr«, fragte Vater, »sind wir in Gefahr, sollten wir das Haus verlassen?«
    »Bist du verrückt?« sagte Don respektlos. »Unser Haus?«
    »Nie im Leben!« schwor ich. »Wir sollten nur unser Schlauchboot aufblasen, falls es schlimmer kommt.«
    »Für diese Idee mußt du den Nobelpreis bekommen!« lobte mich Vater. »Los, auf den Speicher, das Schlauchboot aufblasen!«
    Wir stürzten ins Haus zurück, wateten durch das Wasser zur Treppe, Don holte das Boot, trat den Blasebalg, bis die Gummiwandung prall voll Luft war. Dann machten wir Stapellauf ohne Ansprache und Sektflasche über die Treppe und banden das Boot am Treppengeländer fest.
    Bero fiel ein, daß er angeln könnte.
    »Du bist verrückt«, rief Don, »wo willst du denn angeln?«
    »Hier auf der Treppe«, antwortete Bero schlicht. Er schwor Stein und Bein, daß vorhin ein Fisch hochgesprungen sei und sich umgesehen habe.
    »Mach ihm eine Angel, daß er Ruhe gibt«, bat mich Vater.
    Aus einem Plastikstöckchen, einer Verpackungsschnur und einer Sicherheitsnadel machte ich ihm eine Angel.
    Bero setzte sich auf die Treppe, warf die Angel aus und wartete. Er war ein geduldiges Kind, nach zwei Stunden saß er noch immer auf der Treppe. Dann rief er mich.
    »Was willst du denn?« fragte ich.
    »Ich muß mal, komm, halt die Angel.«
    »So leg sie halt hin.«
    »Nein, du mußt die Angel halten, vielleicht kommt gerade jetzt ein Fisch.«
    Ich ließ mich breitklopfen und hielt die Angel solange. Dann kam er zurück, übernahm wieder die Angel und setzte sich. »Haben wir ab jetzt öfter Hochwasser?« fragte er vergnügt.
    »Hoffentlich nicht«, sagte ich.
    »Warum nicht? Das ist doch fein. Ich will immer Hochwasser.«
    »Und wo soll Mutti dann kochen?«
    »Oben.«
    »Und wenn das Wasser noch höher steigt, was machen wir dann?«
    »Dann gehen wir aufs Dach. Hab’ alles schon im Fernsehen gesehen. Dann kommt ein Hubschrauber und holt uns. Wie die Astronauten.«
    »Mensch, du hast Nerven.«
    Plötzlich war draußen Motorengeräusch zu hören. Es war aber kein Hubschrauber, sondern der Bauer, der in einem Schlauchboot mit Außenbordmotor hockte. Er klopfte an die Scheiben unserer großen Schiebefenster und bedeutete uns, daß wir sie öffnen sollten. Ich sprang von der Treppe elegant ins Wasser und schwamm zu den Fenstern.
    »Mach auf!« rief der Bauer. »Es ist besser, es ist alles offen, dann drückt das Wasser nicht so.«
    Mit viel Mühe brachte ich die Schiebefenster auf, und der Brunntalerbauer gab kurz Gas, fuhr in unser Wohnzimmer und legte elegant an der Treppe an. »Ich hab’ was zu essen für euch«, sagte er. »Eintopf von den Pionieren.«
    »Wie sieht’s denn sonst aus?« fragte der Vater.
    »Es regnet noch immer. Aber jetzt, wo das Wasser auf den Wiesen steht, ist es nicht mehr so gefährlich, weil es sich nur langsam bewegt.«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher