Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
»Aber wähle klug. Nur eine von uns steht dir zu. Wenn du falsch wählst, brichst du den Vertrag. Du weißt, was das bedeutet? Du fährst zur Hölle!«
    Die Worte treffen ihn wie ein Schwert, er krümmt sich zusammen und gibt einen lauten, gequälten Schrei von sich.
    Ich lache, obwohl mir nicht zum Lachen zumute ist. Was für eine Show. Wer hat sich das ausgedacht? Das muss Samhain sein. Aber – welche von ihnen ist November? Ich kann sie nicht auseinanderhalten.
    Mein Lachen scheint ein Fehler gewesen zu sein. Cenn Crúach beugt sich zu mir und legt die Hände um meinen Hals. Es ist eine Geste wie eine Liebkosung, aber seine Finger brennen wie kaltes Eis und nehmen mir die Luft, obwohl er kaum zudrückt. »Dein Liebster wird qualvoll sterben«, droht er. »Ich töte ihn hier vor deinen Augen, Novemberbraut. Aber vielleicht lasse ich ihm sein jämmerliches Leben, wenn ihr mir sagt, welche von euch die Richtige ist?«
    »Sagt es ihm nicht«, rufe ich. Er beachtet mich nicht, drückt nur ein wenig fester zu. Mein Atem stockt, meine Glieder werden schlaff. Ich falle gegen den Thron und bleibe dort liegen. Ringe nach Luft. Noch lebe ich, aber der Tod schleicht auf leisen Sohlen näher.
    »Ary«, ruft eine der beiden Novembers drängend, »du kannst dich wehren. Denk an Oliver Gribben!«
    An wen?
    » Êdorian, es wäre jetzt an der Zeit, etwas zu unternehmen«, höre ich den Roshi sagen. Er sitzt hinter mir auf dem Thron, natürlich mal wieder im Lotossitz. Seine Hände liegen im Schoß. Von der Seite habe ich keine tatkräftige Hilfe zu erwarten.
    Ich schließe die Augen und suche nach Zorn. Finde Angst, Schmerzen und Müdigkeit.
    »Adrian!«, schreit eine Mädchenstimme. Sie schreit noch einmal, laut und schmerzerfüllt, dann erstickt der Schrei. Ich reiße die Augen auf. Der Schwarze hat eine der beiden Novemberbräute gepackt und presst seine Lippen auf ihren Mund. Sie hängt schlaff in seinem Griff. Es sieht aus, als wolle er ihr das Leben nehmen, wie eine Spinne ihr wehrloses Opfer aussaugt. Ihre Schwester hängt an seinem Arm, schlägt auf ihn ein, aber er beachtet sie nicht. Sie lässt von ihm ab und blickt mich an, fleht um Hilfe. Sie ist es – November. Cenn Crúach hat sich geirrt. Er hält Sam gepackt, die nur noch schwach in seinem Griff zuckt.
    Zorn. Blutiger, dunkler, roter Zorn. Er spült wie eine Woge über mich hinweg und reißt mich mit sich. Ich springe auf, da ist nichts mehr von Mattigkeit oder Angst, und stürze mich auf den finsteren Geist. Er wird von meinem Ansturm überrumpelt, lässt sein Opfer los und schlägt nach mir.
    Dieses Mal spüre ich seinen Schlag nicht. Ich höre mein Lachen, das vollkommen irre klingt. Durchgeknallt. Schrill und böse. Meine Hände legen sich um seine Kehle. Lange, grüne Nägel krallen sich in sein Fleisch. Dieses Mal gibt es auch Blut, das dort hervorquillt, wo die Nägel sich in seinen Hals bohren. Er gurgelt, packt meine Handgelenke, will meinen Griff brechen. Kann es nicht.
    Er schreit erstickt, ein hoher, schriller Schrei. Mit seinem S chrei kehrt das Leben in das gerade noch wie tot daliegende Mädchen zurück. Sie lässt sich von ihrer Schwester aufhelfen, und beide stehen dort, Arm in Arm, und verfolgen mit angehaltenem Atem den Kampf.
    Ich lache immer noch. Der blutige Nebel vor meinem Blick macht mich stark. Ich will ihm die Nase abbeißen, seine Augen herausdrücken und wie Weintrauben essen. Ich will sein Herz herausreißen und darauf herumtrampeln, ich will seinen Kopf abschrauben und ihn als Fußball benutzen, ich will ...
    Sein Körper verliert Substanz, wird durchscheinend.
    »Bleib hier und kämpfe wie ein Mann, du Feigling«, ruft der Joker und lacht und lacht und lacht.
    Cenn Crúach windet sich aus dem Würgegriff, weicht zurück. Sein Körper hat kaum noch etwas Menschliches, er erscheint riesig und plump, so massiv wie ein Bär oder ein Troll, mit einem schwarzen, groben Gesicht, aus dem glühende Augen starren. Und das Wesen fürchtet den Joker. Es weicht weiter zurück und kommt dabei den beiden Novemberbräuten näher, die wie auf ein geheimes Kommando die Arme ausbreiten und seinen Rückzug aufhalten. Er weicht vor ihnen zurück, als seien sie giftig.
    »Mach ihn fertig«, sagt die eine. »Jetzt, Ary. Erledige ihn«, die andere. Beide sehen mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich scheine sie zu verstören. Das freut mich. Ich liebe es, wenn mein Anblick andere schockiert – erst recht, wenn diese anderen hübsche Mädchen sind.
    Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher