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Das Grab im Moor

Das Grab im Moor

Titel: Das Grab im Moor
Autoren: dtv
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Entsetzen aus seinem Versteck. In dem nassen Gras zwischen den Grabsteinen rutschte er aus, kam stolpernd wieder auf die Füße und rannte kopflos weiter über den Friedhof, durch das Tor und hinaus auf den Weg.
    Stig und Leander sahen ihm nach, ohne etwas tun zu können. Dann wandten sie ihren Blick wieder Kapitän Schwarzholz' Grab zu.
    Genau in diesem Moment kam der Mond hinter seiner Wolke hervor und sein Lichtstrahl fiel auf das Gesicht der Gestalt. Und obwohl es fast ganz von einer Kapuze verdeckt wurde, schnappten die Jungen nach Luft. Ein junges Mädchen! Und es war das schönste Mädchen, das sie je gesehen hatten.
    Ihre Haut war blass, ihre Augen groß und dunkel und ihr Gesicht wurde eingerahmt von schwarzem Haar, das mit dem Stoff ihres Umhangs zu verschmelzen schien. Sie kniete sich vor dem Grabstein nieder.
    Stig und Leander warfen sich einen raschen Blick zu, aber als sie im nächsten Augeblick wieder zum Grab hinübersahen, war das Mädchen verschwunden.
    Die Dunkelheit der Nacht hatte sie verschluckt und die einzige Spur, die von ihr geblieben war, war eine frische Lilie auf Kapitän Schwarzholz' Grab.
    Stig fluchte und Leander seufzte. Von diesem Tag an konnten sie beide nicht mehr aufhören, an das Mädchen zu denken.
    Das Bild ihres Gesichts hatte sich in ihre Erinnerungen eingebrannt.
     
    So verging die Zeit und Stig und Leander waren noch immer ganz verzaubert von dem Mädchen, das sie auf dem Friedhof gesehen hatten. Nacht für Nacht warteten sie dort, um noch einmal einen Blick auf sie zu erhaschen. Und Nacht für Nacht malten die Jungen sich aus, was sie tun konnten, um das Mädchen zu erobern. Sie sahen sie mit ihrer frischen Lilie kommen, sie flehten sie an, mit ihnen zu reden, aber das Mädchen blieb stumm und ließ sie alleine zurück.
    Petter wagte es nie wieder, die beiden dorthin zu begleiten – und um bei der Wahrheit zu bleiben, so wollte auch keiner seiner Freunde ihn noch dabeihaben.
    Auch die Konkurrenz zwischen Stig und Leander wurde immer deutlicher. Stig dachte bei sich, wenn er nur die Chance bekäme, mit dem Mädchen alleine zu sein, dann würde sie schon weich werden. Und Leander dachte, wenn er das Mädchen nur unter vier Augen treffen könnte, würde er sie zum Lachen bringen und sie wäre für immer die Seine. So vergingen die Tage und die beiden wurden immer wütender aufeinander.
    Allein Petter vermisste seine Freunde – und er bereute, dass er so feige gewesen war. Einfach wegzulaufen wie ein Kleinkind! Jetzt war es an ihm, alles wieder in Ordnung zu bringen. Er musste ihnen beweisen, dass er kein Angsthase war! Und er wusste auch schon, wie.
     
    Eines Abends beschloss Stig, alleine zum Cholerafriedhof aufzubrechen. Er vereinbarte zwar einen Treffpunkt mit Leander, aber statt zu dem vereinbarten Ort zu kommen, verschwand er schon vor der Zeit heimlich ins Moor. Vielleicht gelang es ihm ja, das Mädchen zu treffen, ehe Leander ihn eingeholt hatte.
    Er stellte sich an den Eingang des Friedhofs und musste nicht lange warten. Sowie das Mädchen mit seiner frischen Lilie durch das Tor getreten war, legte er seine Hand auf ihre schmale, vogelgleiche Schulter. Es war das erste Mal, dass er sich traute, sie zu berühren. Das Mädchen blieb stehen. Die Kapuze verdeckte auch jetzt einen Großteil ihres Gesichts, aber ihr dunkler Blick glühte in dem fahlen Mondlicht.
    ›Ich liebe dich‹, sagte Stig laut. ›Werde mein.‹
    Das waren nicht die Worte, die er sich zurechtgelegt hatte. Sie klangen viel zu erwachsen. Und vor allem klangen sie nicht wie seine eigenen.
    Aber zum ersten Mal sprach nun auch das Mädchen.
    ›Wenn du mich lieb hast, nimm mich in den Arm.‹
    Stig merkte zwar, dass sie ihre Arme nach ihm ausstreckte, aber er hatte sich ganz in ihren Augen verloren. Ganz nah war sie jetzt. Nun würde sie ihm gehören.
    ›He! Hallo!‹
    Eine zornige Stimme ließ Stig zusammenzucken. Es war Leander, der herbeieilte.
    ›Ich hab mir schon gedacht, dass du so etwas vorhast, Stig.‹
    Dann wandte er sich an das Mädchen. Er legte seine Hand auf ihren Arm.
    ›Hör nicht auf ihn‹, sagte Leander. ›Ich liebe dich so viel mehr als er.‹
    Für einen Augenblick trat Stille ein. Das Mädchen sprach jetzt zu Leander.
    ›Wenn du mich lieb hast, nimm mich in den Arm.‹
    ›Nein, halt! Du gehörst doch mir!‹ Stig versuchte dazwischenzugehen, als das Mädchen einen Schritt auf Leander zu machte. ›Kein anderer liebt dich mehr als ich!‹
    Verzweifelt griff er nach dem Stoff
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