Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Grab im Moor

Das Grab im Moor

Titel: Das Grab im Moor
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
vermoderten, machten die Runde und so verfiel der Friedhof und bald unterschied ihn fast nur noch der eiserne Zaun vom Rest des Moores.
    Nur eines der Gräber sah immer gehegt und gepflegt aus.
    Es war das Grab des Kapitän Schwarzholz. Niemand wusste, wer dieser Kapitän war, und es gab unzählige Gerüchte, wie und warum er in einem Grab auf dem Cholerafriedhof gelandet war. Aber es wusste auch niemand, wer sein Grab pflegte und warum. Manch einer war überzeugt davon, dass der Kapitän ermordet worden war und sein Mörder nun unter seinem schlechten Gewissen litt, andere glaubten, dass es der Geist des Kapitäns selbst war, der dafür sorgte, dass er nicht in Vergessenheit geriet.
     
    All die unheimlichen Geschichten über den Cholerafriedhof hielten die meisten davon ab, dorthin zu gehen. Aber so mancher war natürlich trotzdem neugierig.
    Und so gab es vor vielen, vielen Jahren drei Freunde   – Stig, Leander und Petter   –, die sich gegenseitig anstachelten. Würden sie es wagen, eine ganze Nacht auf dem Friedhof zu verbringen, um herauszufinden, wer das Grab des Kapitäns pflegte?
    Stig war selbstsicher. Er war groß und zögerte nicht, seine Fäuste zu gebrauchen. Für ihn war das kein Problem. Natürlich traute er sich, zwischen den verfallenen Gräbern zu übernachten! Er glaubte ja nicht an Gespenster.
    Leander, ein Junge, der gerne redete und viel lachte, war fast genauso hart im Nehmen. Wenn Stig das konnte, dann konnte er es auch!
    Petter hatte mehr Bedenken. Er war der Jüngste und Kleinste der drei und ehrlich gesagt war er schrecklich ängstlich und fürchtete sich im Dunkeln. Eine Nacht auf dem Cholerafriedhof war so gar nicht nach seinem Geschmack, aber natürlich wollte er auch nicht als Feigling dastehen. Nachdem er sich lange mit dem Gedanken gequält hatte, entschied er sich schließlich doch dazu, die beiden zu begleiten.
    Gesagt, getan. Am späten Abend trafen sie sich, um gemeinsam hinauf ins Moor zu gehen.
    Es war Winter und die Nacht war schwarz wie schwerer Samt. Am Anfang redeten und lachten die Jungen, aber nach und nach wurden sie immer schweigsamer.
    Im Licht ihrer Laterne warfen Bäume und Steine unheimliche Schatten. Petter schluckte schwer. Am liebsten wäre er einfach nach Hause gegangen, aber da waren sie schon an dem düsteren Eisenzaun angelangt.
    Das Tor zum Friedhof quietschte grässlich, als Stig es öffnete. Sie gingen zwischen den bemoosten Steinen und wild wuchernden Grasbüscheln entlang und blieben erst vor Kapitän Schwarzholz'Grab stehen. Im Gegensatz zu den anderen Gräbern war es sorgfältig gepflegt. Nur die Blume, die darauf stand, eine weiße Lilie, schien langsam zu welken.
    ›Ich glaube, das war keine gute Idee‹, murmelte Petter. ›Spürt ihr das nicht? Hier lauert das Böse.‹
    ›Ach was‹, sagte Stig. ›Mach dich nicht lächerlich.‹
    ›Du glaubst doch nicht etwa an Gespenster?‹, sagte Leander und lachte.
    Petter antwortete nicht.
    Sie suchten sich ein trockenes Plätzchen und versteckten sich hinter den Grabsteinen in der Nähe von Kapitän Schwarzholz' Grab. Die Luft war kalt und ihr Atem stieg in weißen Wolken auf. Stig löschte ihre Lampe.
    Die Nacht war sternenklar, nur der Mond war hinter einer einzelnen Wolke verborgen. Es war totenstill, kein Vogel war zu hören. Es schien, als wäre das Moor wirklich ein Grenzland zum Totenreich. Stig säuberte sich die Fingernägel mit seinem Messer, Leander kaute auf einem Streichholz herum und Petter saß fröstelnd in der Kälte, als sie plötzlich bemerkten, wie sich zwischen den Grabsteinen etwas bewegte.
    Eine Gestalt, in ein weites Cape gehüllt, schien geradezu über den Boden zu schweben. Den Jungen gefror das Blut in den Adern. Natürlich kannten sie all die Geschichten über den Cholerafriedhof und die Verdammten dort, aber niemals hätten sie ernsthaft erwartet, einem von ihnen zu begegnen.
     
    Langsam näherte sich die Gestalt. In den Händen hielt sie eine weiße Lilie.
    Stig lugte hinter dem Grabstein hervor. Leander hätte auch gerne hingeschaut, aber er traute sich nicht. Petters Herz klopfte so heftig, dass er schon fürchtete, es könne ihm jeden Moment aus der Brust springen.
    Die Gestalt blieb an Kapitän Schwarzholz' Grab stehen. Langsam zwang Petter sich, den Blick zu heben und sich die Figur in dem schwarzen Cape anzusehen. Es kam ihm vor, als starre sie geradewegs in seine Richtung.
    Da wurde es ihm zu viel.
    Ehe die anderen ihn daran hindern konnten, floh Petter voller
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher