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Das Grab im Moor

Das Grab im Moor

Titel: Das Grab im Moor
Autoren: dtv
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gehen?«, fragte er. »Soweit ich weiß, ist die Eisbahn jetzt in den Ferien bis zehn oder sogar elf Uhr abends beleuchtet.«
    »Nein, ich habe keine Zeit«, antwortete Sara kurz. »Muss noch meinen Text lernen. Ich bin ja in jeder Szene des Stücks dabei.«
    »Soll ich dir helfen?«, fragte Karl. »Ich könnte dein Stichwortgeber sein oder wie auch immer man das nennt. Ich würde bestimmt ein super Moormonster abgeben . . .«
    Er zog sich die Mütze übers Gesicht und wankte gespenstisch vor und zurück. Dann deklamierte er mit dunkler, bedrohlicher Stimme: »Sind Irrlichter unter uns?«
    Sara musste lachen.
    »Ich wusste gar nicht, dass du die Legende kennst.«
    »Großvater hat sie mir erzählt.«
    Sara nickte.
    »Danke, aber ich muss noch ins Theater und Lillys Kleider holen. Ich ziehe sie immer an, um besser in die Rolle reinzufinden. Das macht es leichter, den Text zu lernen. Mir kommt es dann fast so vor, als könnte ich Lilly wirklich sprechen hören. Fast schon gruselig.«
    Sie senkte den Blick.
    »Schlimm, die Sache im Bürgerhaus heute«, sagte sie plötzlich. »Das mit Engla.«
    Alle nickten.
    »Papa hat erzählt, dass sie zum Glück noch lebt«, sagte Oskar.
    »Woher weiß er das?«, fragte Karl.
    »Er ist Feuerwehrmann. Die hören den Funk mit, weißt du. Es war ein Schlaganfall, aber sie hat überlebt.«
    »Schön«, sagte Sara, doch sie sah bekümmert aus.
    »Wusstet ihr, dass Engla auch schon mal die Lilly spielen sollte? Ist schon lange her. Aber dann ist sie krank geworden und die ganze Aufführung musste abgesagt werden.«
    Karl runzelte die Stirn. Engla auch? Offenbar hatten alle irgendwann einmal in diesem Theaterstück mitgespielt.
    Er ließ seinen Blick zwischen den Bäumen schweifen. Irgendetwas war anders als sonst.
    »Ist euch schon aufgefallen, wie still es hier ist?«, fragte er.
    Die anderen blieben stehen. Oskar zuckte mit den Schultern.
    »Man hört gar keine Vögel«, sagte Karl.
    Sara lachte und lief weiter.
    »Du bist wirklich ein echtes Stadtkind. Vögel singen im Winter nie. Wusstest du das nicht?«
     
    Der Cholerafriedhof lag am Rande des Moores. Die Leute hatten ihn schon immer gemieden und in der Dämmerung wirkte er verlassener und trister als je zuvor. Karl fröstelte. Schatten fielen über die alten Gräber. Die Bäume waren knorrig und grau und die alten Grabsteine tief in den sumpfigen Boden eingesunken. Die Namen darauf ließen sich kaum mehr entziffern.
    Ein schwarzer Eisenzaun umgab den Friedhof. Das Eingangstor hing schief in den rostigen Angeln und knirschte unheilvoll, als Sebastian es aufschob.
    Es roch auch seltsam. Modrig und . . . irgendwie nach Tod. Karl versuchte sich selbst einzureden, dass der Gestank von dem sumpfigen Boden herrührte – und nicht von den Verstorbenen, die hier vor langer Zeit begraben worden waren.
    »Manche Leute behaupten ja, dass die Leichen, die hier beerdigt wurden, heute noch genauso aussehen wie damals, als sie gestorben sind«, erklärte Oskar dramatisch. »Das Moor konserviert sie. Genau wie diese Moorleiche aus Bocksten.«
    Sebastian blieb im Tor stehen.
    »Kennt ihr die Spukgeschichte über den Cholerafriedhof?«, flüsterte er mit gruseliger Stimme. »Die Geschichte von Kapitän Schwarzholz' Grab?«
    Karl schüttelte den Kopf. Die drei anderen schauten ihn überrascht an. Offenbar war auch diese Geschichte allgemein bekannt.
    »Okay, die musst du einfach hören«, sagte Oskar. »Sie handelt von drei Jungen   …«
    Sebastian nickte eifrigund unterbrach ihn.
    »Genau, genau! Und es passierte vor langer, langer Zeit.«
    Oskar warf Sebastian einen genervten Blick zu.
    »Erzählst du oder ich?«
    Enttäuscht verzogSebastian das Gesicht.
    »Na gut, fang schon an«, gab Oskar nach und winkte seufzend ab.
    Und Sebastian begann zu erzählen.
     
    Das Grab im Moor
     
    »Der Cholerafriedhof ist noch nie ein besonders einladender Ort gewesen. Man hatte das düstere Gehölz am Rande des Moors ausgewählt, damit die Menschen sich von dort fernhielten und die kleine Gemeinde keinem unnötigen Ansteckungsrisiko ausgesetzt wurde.
    Ein Pfarrer hatte das sumpfige Stück Land während einer Choleraepidemie geweiht und schon bald hatte sich der Grund mit Gräbern und Steinen gefüllt. Aber da der Friedhof ein Ort war, den man möglichst meiden sollte, gab es auch niemanden, der die Gräber pflegte – nicht einmal die nächsten Angehörigen kamen hierher. Grausige Geschichten über die Körper, die in dem übel riechenden Morast
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