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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Geschäft für Schiffsausrüstungen in Vinh-long.«
    »Dann haben sie dich dort betrogen. Sie haben dir alte, nasse Raketen verkauft.«
    »Nein.« Xuong schüttelte den Kopf. Er erinnerte sich genau an den Kauf. Zehn rote und zehn weiße Raketen hatte er verlangt, und der Verkäufer hatte ihn noch mit einem Lachen gefragt: »Willst du ein Feuerwerk abbrennen? Was feierst du? Ist deine Schwiegermutter gestorben?« Und dann hatte er vor seinen Augen die Raketen in eine Kiste gepackt, sie waren einwandfrei und trocken gewesen. »Man hat sie hier auf dem Boot mit Wasser übergossen. Cuong, wir müssen die Augen offenhalten.«
    An diesem Tag kam kein Schiff mehr in Sicht. In der Nacht fuhren sie wieder mit halber Motorkraft nach Südosten, die Männer wechselten sich in den Wachen ab, auch der verwundete Vu Xuan Le bot sich an, das Ruder zu übernehmen und zeigte Cuong, daß er etwas davon verstand. Er hatte sich sehr schnell von seinen Verletzungen und der Schwäche erholt, saß den ganzen Tag über am Heck, hatte vier Schnüren mit Angelhaken ausgeworfen und zog eine Menge Fische aus der See. Als Köder benutzte er zuerst kleine Stückchen Brot. Nachdem er den vierten Fisch damit gefangen hatte, zerhackte er die Fische in größere Stücke und preßte sie unter seine Achseln, um sie mit seinem Schweiß zu tränken. Das mußte die Fische verrückt machen … sie bissen an, sobald der Haken ins Wasser gefallen war.
    »So was habe ich noch nie gesehen!« sagte Cuong anerkennend. »Woher kennst du diesen Trick?«
    »Mein Vater fischte so. Woher er es wußte, weiß ich nicht. Andere, Freunde und Nachbarn, haben es auch versucht … nicht ein Fisch biß an. Aber bei Vater und mir sammelten sich ganze Schwärme. Wir haben einen besonderen Schweiß.«
    In dieser Nacht erreichten sie die Route Singapur – Hongkong. Gleich fünf große Schiffe sahen sie hintereinander fahren, hell erleuchtet, ein Anblick, der ihre Herzen vor Freude fast zerspringen ließ. Sie fielen einander in die Arme, und Cuong kroch in den Verschlag, umarmte Thi, seine hochschwangere Frau, küßte ihre rauh gewordenen, aufgesprungenen Lippen und sagte zärtlich: »Unser Kind wird in der Freiheit geboren werden. Es wird nie erdulden müssen, was wir erlitten haben. Sein Leben wird schön sein.« Und Thi antwortete: »Ich danke dir, Cuong. Du bist ein tapferer Mann.«
    Auf dem Motorkasten hatte Xuong das Raketenschußgerät aufgebaut und die inzwischen getrockneten Raketen daneben gelegt. Vier Fackeln erhellten das kleine Boot – eine gute Nachtwache auf den Handelsschiffen hätte diesen flackernden Lichtschein sehen müssen. Aber nichts deutete darauf hin, daß man sie bemerkte. Kein Leuchtzeichen, keine Suchscheinwerfer, kein Sirenensignal.
    »Hoffen wir, daß die Raketen keinen Schaden gelitten haben«, sagte Xuong und steckte eine Patrone in den Abschußlauf. Die erste versagte nicht. Sie zischte in den schwarzen Himmel, gab die Leuchtkugel frei, und langsam schwebte der rote, grell leuchtende Ball an seinem Fallschirm aufs Wasser zurück. Alle im Boot starrten hinüber zu den hellerleuchteten großen Schiffen.
    Keine Antwort. Unbeirrt zogen die Frachter dahin. Nicht ein einziges Blinken beantwortete die rote Notrakete.
    Mit einem Gesicht wie aus Stein gehauen schoß Xuong die nächste Rakete ab. Auch sie versagte nicht, stieg in den Himmel und gab die rote Leuchtkugel frei. Rettet uns! Hilfe! Hier sind Menschen in Not! Hier kämpfen Menschen um ihr Leben! Hier suchen 17 Männer, 14 Frauen und 12 Kinder ein neues Leben.
    Hilfe – – –
    Aber auch die zweite Rakete blieb ohne Wirkung. Wie zuvor das Containerschiff fuhren die Schiffe an ihnen vorbei … eins hinter dem anderen. Und jedes wurde ein Ungeheuer, das ein Stück Hoffnung auffraß.
    »Ihr Teufel!« schrie Cuong in die Nacht hinaus. »Verflucht seid ihr! Habt ihr kein Herz?! Was habt ihr denn in der Brust?!«
    »Wir sind nur Dreck«, sagte Xuong verbittert. »Dreck, der auf dem Meer schwimmt. Abfall. Daran müssen wir uns gewöhnen. Wir werden immer und überall Abfall sein, aber wenn wir in Freiheit und Frieden leben dürfen, läßt es sich auch als Dreck aushalten.« Er holte tief Atem und schrie dann über das Boot: »Hoffen wir weiter! Irgendwann wird man selbst Treibholz wie uns auffischen.«
    Doch auch der Morgen änderte nichts. Cuong lenkte das Boot mitten in die Schiffsroute Singapur – Hongkong, stellte den Motor ab und ließ es treiben. An ein langes Stück Holz nagelten sie ein
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