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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Xuang schien keinen Schlaf zu brauchen. Er saß neben der Motorverkleidung auf dem Boden, hatte den aufgeklappten Kompaß zwischen seine Knie geklemmt und korrigierte ab und zu den Kurs. Le, das Piratenopfer, schlief an der Wand des Verschlages, zusammengerollt wie ein Hund. Man hatte ihm Tee und Reis, gebratenen Fisch und Sojasoße gegeben, vor allem aber Kim kümmerte sich um ihn, verband zweimal seine Wunden, und obwohl das weh tat, verzog er keinen Muskel seines Gesichtes, sondern lächelte sie an. Ein winziger Held ist immer noch besser als ein Schwächling, der Mitleid sammelt.
    »Wo kommst du her?« fragte er, als sie den dritten Verband anlegte.
    »Aus Dien Ban Nam …«
    »Und ich aus Muong-hanh.«
    »Das ist ja gar nicht weit von uns!«
    »Welch ein Zufall! Warum haben wir uns nicht früher gesehen?«
    »Es gibt so viele Menschen. Man kann nicht alle anschauen.«
    »An dir wäre ich nicht vorbeigegangen, Kim. Nur ein einziger Blick … ich wäre wie vom Blitz getroffen.«
    Sie antwortete nicht, drehte den Kopf verlegen zur Seite und schob Les Hand weg, die über ihren Schenkel tastete. Im Holzverschlag weinten die Kinder; das rauhe Meer machte ihnen Angst, ließ sie über den Boden und gegen die Wände rutschen, sie klammerten sich an die noch nicht seekranken Frauen fest und waren nicht zu beruhigen. Das flache Flußboot konnte mit seinem Kiel nicht die Wellen durchschneiden, es ritt auf ihnen, und der armselige, alte Motor kämpfte schwer um jeden Meter.
    »Wir werden auch heute noch nicht die Route erreichen«, sagte Xuong beim Heraufdämmern des Morgens. Er hatte nicht mehr als zwei Stunden geschlafen, sitzend und an den rappelnden Motorkasten gelehnt. Jetzt hielt er den Kompaß wieder auf den Knien und stellte fest, daß sie in der Nacht, während er geschlafen hatte, nach Westen abgetrieben worden waren. Man mußte scharf nach Süden drehen. In dieser Position waren sie den thailändischen Piraten näher als zuvor. Aber das sagte Xuong nicht.
    Und wieder war es ein Morgen, dessen Sonne das Meer golden schimmern ließ, jetzt, bei bewegter See, mit weißen Schaumkronen, wie ein Goldhelm mit glitzernden Perlen nach dem anderen, ein Wogen aus flüssigem Metall.
    Wieder warf Cuong den Treibanker aus, der bei diesem Seegang wenig nützte, aber die anderen Bootsinsassen beruhigte. Der morgendliche Tee wurde verteilt, die Seekranken lagen matt und mit grauen Gesichtern herum, tranken tapfer ihre Ration und erbrachen sie sofort wieder. Die Männer hockten im Vorschiff zusammen und hielten eine Beratung ab. Das Ergebnis überbrachten zwei jüngere Männer. Ehrfürchtig verneigten sie sich vor Xuong. Dann sagte der eine: »Wir haben eine Versammlung abgehalten, Lam Van Xuong, und mich haben sie zum Sprecher gewählt.« Es war ein stämmiger Bursche, der in der Kommune als Schmied gearbeitet und zwei Jahre im Gefängnis gesessen hatte, weil er den Vorarbeiter aufs linke Ohr geschlagen hatte, das danach taub blieb.
    »Und was hat die Versammlung beschlossen?« fragte Xuong höflich zurück.
    »Wir möchten auch am Tage fahren. Warum auf der Stelle liegen? Le sagt auch: Die Piraten sind weit weg.«
    »Und wer von euch übernimmt die Schuld, wenn wir von ihnen verfolgt werden? Du als Sprecher? Da hinten an der Wand sitzt deine Frau Hoa. Sie ist schön genug, um in einem Bordell von Phuket die Touristen zu begeistern.«
    »Eben darum sollten wir fahren, so schnell wir können.«
    »Das ist nicht schnell genug. Ein lahmer Hase wird immer die Beute des Fuchses. Und wir sind lahm. Hast du gesehen, wieviel Benzin der Motor säuft? Bei voller Fahrt ist unser Vorrat bald verbraucht. Ohne Benzin aber …« Xuong hob die Schultern.
    Der Sprecher der Versammlung verstand, was das bedeutete. »Wir warten also wieder … den ganzen Tag?« fragte er bedrückt.
    »Was bedeutet ein Tag, wenn wir in Kürze frei und sicher sein können?«
    Mit dieser Botschaft kehrte die Delegation zu den anderen Männern zurück. Sie begriffen es und fügten sich. Nur Vu Xuan Le sprach dagegen, behauptete, die Piraten könnten nicht überall sein, er habe gehört, daß sie näher zum Mekong-Delta fahren wollten, um dort den Flüchtlingsbooten erfolgreicher auflauern zu können. »Und wir sind weit weg vom Mekong!« rief Le und machte eine weite Handbewegung. »Alle Feinde sind hinter uns … vor uns ist das Meer offen und frei!«
    Aber die meisten hörten nicht auf ihn, vertrauten Xuong mehr und richteten sich ein, einen weiteren langen, heißen
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