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Das goldene Meer

Das goldene Meer

Titel: Das goldene Meer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sein, Xuong, es sind doch Thailänder!«
    »Es sind Piraten, Cuong. Sie werden uns ausplündern, unsere Frauen vergewaltigen, die jungen und hübschen mitnehmen und in Thailand an die Bordelle verkaufen, und wenn wir uns wehren, werden sie uns erschießen, erstechen oder über Bord zu den Haien werfen.«
    »Das … das hast du alles gewußt?«
    »Seit über einem Jahr.« Xuong klappte den Deckel des Kompasses zu und sah jetzt Cuong voll in die unruhigen Augen. »Ich weiß nicht, wie viele Flüchtlingsboote sie schon überfallen haben, aber es sollen viele sein. Wir müssen um das Glück beten, nicht von ihnen gesehen zu werden. Ein glattes Meer wie heute ist ihr Verbündeter. Bei höheren Wellen sieht man uns nicht so leicht.«
    »Wann können wir an der Schiffahrtstraße sein?« In Cuongs Stimme hörte man deutlich die Angst. Piraten. Sie würden Linh mißhandeln. Und alle Frauen im Boot … lauter junge, hübsche Frauen. Die Älteste war Ut, sie hatte ihre drei kleinen Kinder bei sich, und ihr Mann Tue war einer von jenen, die in dem Jahr des Wartens und Sparens gestorben waren. An einem Riesenfurunkel im Nacken, den niemand behandeln konnte. »Da kommt dein ganzes inneres Gift raus!« hatte der Kommunenarzt spöttisch gesagt, als Tue ihm das ungeheure Geschwür zeigte. »Du bist doch einer von denen, die immer unzufrieden sind. Geh und schmier dir deine Parolen in den Nacken.« Tue starb schließlich an Blutvergiftung. Ut, seine Witwe, verkaufte alles, was sie besaß, gab Xuong das Geld und glaubte seitdem, ein besseres Leben in einem anderen Land gewinnen zu können.
    »Ich werde den Motor hochtreiben, Xuong!« sagte Cuong mit belegter Stimme. »Schaffen wir es in zwei Tagen?«
    »Es können auch drei werden. Belaste den Motor nicht zu stark. Er ist wie ein alter Mann, der keucht, spuckt und nach Atem ringt. Jag ihn nicht in den Tod. Ohne Motor gibt es keine Hoffnung mehr.«
    Cuong nickte, ließ den Motor gedrosselt und rang noch immer mit dem Entsetzen, das in ihm war. »Sollen wir es den anderen sagen?« fragte er.
    »Nur den Männern. Nicht den Frauen.«
    »Aber sie wird es am meisten treffen.«
    »Vertrauen wir auf das Glück, das bis heute bei uns war.« Xuong stieß sich von dem Motorkasten ab, bahnte sich einen Weg durch die herumhockenden und essenden Männer und rutschte dann auf Knien in den Holzverschlag. So niedrig war er. Selbst ein kleines Kind konnte darin kaum stehen.
    Am dritten Tag, nach Xuongs Berechnungen mußte man ganz in der Nähe der großen Schiffahrtsroute sein, sichteten sie ein kleines, treibendes Boot. Es tanzte auf den nun etwas höher gehenden Wellen, fiel in die Wellentäler, ritt auf den Wellenkämmen. Ein leeres Boot, so schien es, von irgendwoher abgetrieben, vielleicht schon Wochen im Südchinesischen Meer.
    »Das können wir gut gebrauchen!« schrie Cuong gegen den Fahrtwind. »Alles, was schwimmt, ist für uns gut! Holen wir es längsseits?«
    »Es ist ein schlechtes Zeichen«, sagte Xuong zögernd.
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ein so kleines Boot schlägt schnell voll Wasser und sinkt. Es ist noch nicht lange hier draußen, und es ist ein vietnamesisches Boot. Was beweist das?«
    »Ich weiß es nicht, Xuong.«
    Nun standen auch die Frauen und die größeren Kinder an Deck und starrten hinüber zu dem wellenreitenden Kahn.
    »Das ist ein Überbleibsel«, sagte Xuong nachdenklich. »Ein Rest …«
    »Wovon?«
    »Von Menschen, die wie wir die Freiheit suchten. Entweder hat das Meer sie getötet oder die Piraten …«
    »Das heißt, daß welche in der Nähe sind?« rief Cuong entsetzt. »Ändern wir sofort den Kurs!«
    »Sie lauern aufgereiht wie eine Perlenschnur vor der Route Singapur – Hongkong. Sie wissen, jedes Flüchtlingsboot wird versuchen, in die Wasserstraße zu kommen. Nur dort ist Hoffnung auf Rettung. Warten wir hier, Cuong. Wirf den Treibanker aus. Versuchen wir in der Nacht, die Route zu erreichen.«
    »Die großen Schiffe werden uns überfahren und unter Wasser drücken.«
    »Wir werden sie von weitem wahrnehmen, sie sind alle hell beleuchtet. Und wir werden unsere Fackeln anzünden, wenn wir ihre Lampen sehen. Zwischen den großen Schiffen sind wir sicher. Da gibt es keine Piraten mehr.«
    Cuong stellte den Motor ab, rief ein paar Worte über Deck, zwei Männer, die nur zerschlissene Hosen und durchnäßte, kurzärmelige blaue Hemden trugen, warfen den kleinen Treibanker über Bord und hielten dann das Tau fest. Das fremde, leere Boot tanzte näher, kam
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