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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago
Autoren: Gisbert Haefs
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besonderen Vollmachten ausgestattet bin und den Tod des Marcus Lavinius aufklären soll, wobei der Rat der befreundeten Stadt Karthago mich bitte unterstützen möge, soweit dies nicht geltenden Verträgen widerspricht.«
    Bomilkar schwieg eine Weile. Schließlich sagte er, mit einem unterdrückten Lachen: »Willkommen, du Nicht-Person. Ich glaube beinahe, es wird mir Vergnügen bereiten … Lassen wir die Fragen der Zuständigkeit beiseite. Was hast du vor?«
    »Ich soll feststellen, wie Lavinius getötet wurde. Wo. Wann genau. Und warum. Danach, zuletzt und am wichtigsten: von wem.«
    »So viel Aufwand für einen Händler?«
    »Er war, wie gesagt, nicht unbedeutend und hat offenbar Freunde oder Verwandte in wichtigen Stellungen. Sie wünschen, daß ein Mörder gefunden und bestraft wird – nach euren und unseren Gesetzen.«
    »Da sehe ich keine Schwierigkeit. Mord ist Mord, ganz gleich nach welchem Gesetz.« Bomilkar stand auf. »Komm, laß uns noch ein paar Schritte gehen. Ich will bezahlen.«
    »Das ist nicht nötig.« Laetilius erhob sich ebenfalls. »Ich habe eine Anweisung an ein hiesiges Bankhaus, und ein paar Münzen sowieso.«
    »Heute abend bist du Gast des Rats von Qart Hadasht.« Bomilkar zahlte, nickte der Schankdirne zu und trat mit dem Römer auf den großen, leeren Platz hinaus.
    »Die Agora von Karthago.« Laetilius klang fast andächtig.

    Sie gingen zum Ratsgebäude und bogen in die Straße, die zum Gästehaus und zum Byrsahügel führte, wo unterhalb der Tempel die Stadthäuser der Reichen lagen.
    »Morgen früh«, sagte Bomilkar, als sie das Gästehaus erreicht hatten, »hol ich dich hier ab. Wir werden ein wenig mit dem Arzt plaudern.«
    »Artemidoros?« Laetilius schien überrascht. »Wozu? Er ist doch kein Punier.«
    »Sohn eines makedonischen Vaters und einer ägyptischen Mutter, aus Alexandreia. Du weißt, daß dort der König zum Tode verurteilte Verbrecher den Ärzten übergibt? «
    Laetilius verzog den Mund. »Ich habe es gehört. Ungern. «
    »Die Hinrichtungen sind dadurch langwierig und unerfreulich, aber die Ärzte lernen viel, und die Verbrecher dienen dem Gemeinwohl … gewissermaßen. Artemidoros ist vor vierzehn Jahren zu uns gekommen, im Krieg, als wir dringend gute Ärzte brauchten.«
    »Und?«
    »Er hat drei oder vier bemerkenswerte Dinge an der Leiche des Marcus Lavinius entdeckt. Danach…« Bomilkar holte tief Luft. »Danach werden wir eine Wanderung unternehmen. Zu Hamilkars Garten.«
    »Wo ihr Lavinius gefunden habt? Morgen schon?«
    »Zu früh?«
    Laetilius knurrte leise. »Gib mir doch erst ein wenig Zeit, mich an die Stadt zu gewöhnen. Vielleicht ist ja bei dem, was Artemidoros gefunden hat, irgend etwas, was uns zu einer langen Stadtwanderung bewegt.«

2. KAPITEL
    » S ieh dich vor!« Aspasia fuhr sich mit den gespreizten Fingern der Rechten durchs Haar. ›Eher ein Rechen als ein Kamm‹, dachte Bomilkar. Er folgte den Bewegungen der schlanken, kraftvollen Finger. Am mittleren steckte ein Silberring: ein fein geformter Löwenkopf mit winzigen roten Steinen als Augen.
    »Immer, aber wieso jetzt?« sagte er.
    Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. »Alles, was Rom angeht, berührt doch hier jeden«, sagte sie eindringlich. »Die Reichen, die Grundherren, die Händler, die Krieger, die Schiffbauer … Meinst du denn, wenn du mit einem Römer durch Qart Hadasht ziehst und Fragen stellst, dauert es lange, bis jemand meint, er hätte etwas zu verbergen, was vielleicht gar nichts mit eurem Anliegen zu tun hat?«
    »Das könnte sein.«
    »Immer steckt ein Dolch im Blumengebinde.« Nun sprach sie Hellenisch; es klang, als zitiere sie ein Gedicht. »Immer lauert ein Löwe im Randsaum der Nacht.«
    »Von wem ist das?«
    Sie hob die Schultern. »Irgendein Sänger. Zieh mal.« Sie wandte ihm den Rücken zu; er band die Enden der schmalen Schärpe zu einer Schleife. Der knielange kitun aus kühlem Leinen lag nun eng um die Leibesmitte. Als Bomilkar die Hände an Aspasias Hüften legte, gab sie ihm einen leichten Klaps auf die Wange.
    »Laß das. Es ist spät, ich muß in den Laden.«
    Dann bückte sie sich und hauchte ihm einen Kuß auf die Nase.
    Aspasia war dreiunddreißig, fünf Jahre älter als Bomilkar. Ihr Mann, ein hellenischer Silberschmied, war vor drei
Jahren plötzlich erkrankt und gestorben. Da sie schon vorher mitgearbeitet hatte und da es keine Schulden gab, konnte sie Werkstatt und Laden weiterführen, um sich und die beiden Kinder zu ernähren.
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