Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
entdeckte. Wenn es dich beruhigt, kann ich dir versichern, daß über mir nur der Rat der Stadt ist. Alle Fragen und Arbeiten, die in dieser Sache anfallen, liegen bei mir.«
    Laetilius musterte ihn aufmerksam. Der Römer hatte kühle dunkle Augen, eine schmale Nase, volle Lippen und ein kräftiges, aber nicht aufdringliches Kinn. ›Kein unangenehmes Gesicht‹, dachte Bomilkar. ›Wenn er nicht ein Feind wäre …‹ Die schlanken haarlosen Finger der Rechten spielten mit dem Becher, in dem mehr Wasser als Wein war. Die eigenen Hände, bis über die ersten Fingerknöchel mit dichtem schwarzen Haar besetzt, kamen Bomilkar dagegen klobig vor. Er faßte sich ans Ohr und befühlte die beiden schmalen Goldringe.
    »Eine Frau?« sagte der Römer. »Ihr macht das doch viel früher als wir, soweit ich weiß.«
    »In Iberien. Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen. Aber sie wollte nicht mitkommen, ist bei ihrer Sippe geblieben. Ihrem Stamm. Hier gibt es eine Hellenin, etwas älter als ich. Zur Zeit. Und du?«

    »Keine Frau. Amtlich.« Laetilius lächelte kurz. »Vielleicht nächstes Jahr. Aber …«
    Die Libyerin brachte zwei Holzplatten mit Brotfladen; ihr folgte der Wirt, der eine fast wagenradgroße Henkelpfanne trug.
    »Die hungernden Herren.« Seine Stimme klang, als müsse sie im Hals einen Wall überwinden oder durch einen Engpaß schleichen. »Karge Reste, die mich weinerlich machen, aber mehr haben wir nicht zu bieten, zu dieser späten Stunde.« Er setzte die Pfanne auf den Tisch, wischte die Hände an der Lederschürze, grinste breit und watschelte zurück zum hohen Schanktisch, der Küche und Gastraum trennte.
    Die Pfanne enthielt Teigstreifen, Lauchringe, Bohnenmus, reichlich Fleisch von Lammschultern und mindestens dreierlei gebratenen Fisch; alles war bestreut mit Sesamkörnern und schwamm in einem Sud aus Öl, Kräutern und Wein.
    »Wenn dies eure kargen Reste sind, die bleiben, nachdem ihr eure Kriegsschulden an uns bezahlt habt, wüßte ich gern, wie ein Festmahl aussieht.« Laetilius riß ein Stück Brot ab, schob mit dem hölzernen Spachtel Fleisch und Mus darauf und grunzte, bevor er alles in den Mund steckte.
    Bei der Erwähnung der Kriegsschulden stutzte Bomilkar. Im vorigen Jahr hatte er die letzte, zehnte (und größte) Lieferung gemünzten und ungemünzten Silbers nach Ostia geleiten müssen, weil gewisse finstere Begierden den Schatz gefährdeten. Tausend Talente Silber, eine lange Seereise, drei Mordanschläge… Wußte Laetilius etwas davon? Wußte er dann auch, daß Bomilkar ein wenig Latein verstand?
    Er schob die Fragen beiseite. »Essen soll dich aber nicht am Reden hindern«, sagte er. »Ich verstehe auch vollmundiges Hellenisch.«
    Laetilius setzte zu einer langen Erklärung an, von der Bomilkar gefesselt war, wenn er auch nur Teile verstand.

    Zunächst kamen Bröckchen über eine Familie mit fünf Kindern (er war der Älteste), armer ländlicher Adel; dann sprach er von den wichtigen Dingen. Es ging um Zuständigkeiten innerhalb der römischen Verwaltung. Für einen gewaltsamen Tod sei eigentlich ein Quästor zuständig; da Marcus Lavinius einer angesehenen Familie angehöre, wenn auch nicht dem Adel, sei aus Gründen der Rücksichtnahme (hier kamen Dinge ins Spiel, die Bomilkar für rechtlich bedeutsame Überbleibsel alter Stammesfehden innerhalb des römischen Staatsgefüges hielt) der zuständige Quästor von einem ›kurulischen Ädilen‹ zu begleiten, wobei die Frage, welcher von beiden höherrangig sei, Anlaß zu langen Erörterungen böte. Marcus Lavinius sei aber auch Mitglied der Fernhändlergilde gewesen; wenn er nun in der Nähe Roms getötet worden wäre, hätte zusätzlich ein Obmann der Gilde …
    »Hör auf!« Bomilkar hob beide Hände. »Wahrscheinlich gehörte er auch noch der Volksvertretung eines bestimmten Stadtteils an und hat freiwilligen Dienst in irgendeinem Tempel getan, ja?«
    Laetilius leckte sich die Finger, schob die leere Brotplatte von sich und blickte auf. »Du siehst es zu einfach.« Er lächelte. »Die Dinge werden noch verwickelter dadurch, daß Lavinius außerhalb jener Länder gestorben ist, für die römische Gesetze gelten.«
    »Dadurch sollte es doch eigentlich einfacher werden.« Bomilkar legte das Kinn auf die gefalteten Hände. Ringsum war es ruhiger geworden; in der Schänke hielten sich nur noch sechs weitere Gäste auf, und zwei von Bomilkars Ordnern begannen, auf dem Platz die Lampen und Fackeln zu löschen. Irgendwo jaulte ein Hund, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher