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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago
Autoren: Gisbert Haefs
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fallen und verfluchte jede einzelne Scherbe. Weiter vorn, wo die Straße auf den Platz vor dem Ratsgebäude mündete, hingen bunte Kleidungsstücke an einer Leine, die zwischen den Häusern gespannt war. Die hohen Gebäude, die Straße und die Wäsche wurden zu einem wabernden Ring, den Bomilkar durchschreiten mußte, um den Platz zu erreichen, den er nicht durchschreiten durfte, wenn ihm sein Leben lieb war.
    Er biß sich auf die Unterlippe, murmelte »Blödsinn« und blieb stehen, um die Finger eines Goldschlägers zu betrachten, den feinen Hammer, das an den Seiten aufwärtsstrebende Schlägerhäutchen. Aus den Augenwinkeln sah er die Menschen, die hinter ihm entlanggingen. Frauen, Männer, Kinder, Halbwüchsige. Der Mann mit dem starken Rücken und der Narbe an der Wade, der eben noch Buchrollen beäugt hatte. Wer kauft Rollen? Männer mit mächtigen Muskeln? Männer mit Schwertnarben am Bein?
    Dann war die Bedrohung nicht mehr zu spüren, schwand so jäh, wie sie begonnen hatte. Bomilkar folgte dem Mann, der keine Buchrollen gekauft hatte, bis dieser im Gedränge des großen Platzes untertauchte.
    Keine Spur von Duush und Zililsan. Und, wie zu erwarten, im Ratsgebäude keine Spur von Arish dem Hehren. Der Saal, in dem die Reichen und Mächtigen über das Schicksal der Stadt zu beraten pflegten, war leer; wie der geflieste Gang, in dem verwitterte Götterbilder standen; wie die ausgetretene Treppe, die zu den Schreibstuben des ersten Stocks führte.
    Der Schreiber Hamilkar, der in dieser Sache Bindeglied zwischen Arish und Bomilkar war, blickte von seinen Rollen,
Halmen, Stempeln und Töpfchen auf, als Bomilkar eintrat. Es roch nach altem Leder, nach den täglich gereinigten dicken Bohlen des Bodens, nach Papyros und nach Schreiberschweiß.
    »Der edle Fünf-Herr befand sich in einem Zustand, den man als fortgeschrittene Unheiterkeit bezeichnen könnte.« Hamilkar grinste; ein gelblicher Lichtfleck hob seine Nase hervor – Licht der sinkenden Sonne, von einer silbrigen Fläche gespiegelt und durch die Fensteröffnung geworfen. »Sagen wir, zwei Drittel unwirsch und ein Drittel beleidigt.«
    Bomilkar ging zur Öffnung und schaute hinaus, über den Platz. Die spiegelnde Fläche war ein kleiner Metallgegenstand auf einem Fenstersims, im vierten Stock des Gebäudes auf der anderen Seite. Harmlos.
    Er wandte sich wieder Hamilkar zu. »Hat er Anweisungen hinterlassen? Silber? Oder nur den üblen Ruch seines Mißmuts?«
    Der Schreiber wühlte zwischen Halmen und Rollsiegeln; er hob einen kleinen Beutel hoch. »Hier. Zehn shiqlu . Damit solltest du den Römer bewirten. Oder was auch immer. « Er riß einen Fetzen Papyros ab, nahm einen Schreibhalm in die Linke, tunkte ihn ein, kritzelte etwas und schob es dem anderen hin. »Unterzeichnen, bitte. Damit alles seine gewöhnliche Unordnung hat.«
    Bomilkar nahm den Beutel, öffnete ihn, schielte hinein und nickte. »Zehn, gut.« Er nahm den Halm und bestätigte, zehn shiqlu erhalten zu haben.
    Hamilkar sah zu, wie der Beutel verschlossen und in die Gürteltasche geschoben wurde. Er seufzte leise, sagte aber nichts.
    »Du fragst ja gar nicht, ob ich dir etwas leihen mag. Waren die Würfel und die Pferde dir günstig?«
    Der Schreiber lächelte ein wenig gequält. »Eine nette neue Frau, Witwe eines Mannes, der mit dem Schiff gesunken ist, aber sein Geld hiergelassen hat. – Du dagegen fragst gar nicht, weshalb Arish unwirsch ist.«

    »Ich denke mir, daß es mit dem Rang des Römers zu tun hat. Der hohe Herr hat sich zum Hafen bemüht, um einen Gleichrangigen zu begrüßen, aber Rom hat einen ranglosen Knaben geschickt.«
    »So ist es. Der Knabe wartet im Gästehaus auf kundige Führung.«
    »Hat der Knabe etwas gesagt? Spricht er eine menschliche Sprache oder nur dies Geknurre, das den Römern als Behelf dient?«
    »Er spricht Hellenisch. Und er hat etwas Beiläufiges über Wind und Wellen gesagt.«
    »Ah. Sehr aufschlußreich. Nun denn. Wir sehen uns.«
    »Wird sich nicht vermeiden lassen.« Der Schreiber ließ sich wieder auf den Schemel sinken. »Und was soll aus alledem werden? Ihr zwei ranglosen Knaben, was wollt ihr miteinander für Spiele spielen?«
    Bomilkar wandte sich auf dem Absatz um; die alten dicken Bohlen knirschten. »Ich weiß nicht, ob er gern spielt. Und ich werde nicht fürs Spielen bezahlt.«
    Hamilkar lächelte. »Solltet ihr das richtig gründlich machen wollen?«
    »Ich hoffe nicht. Wieso?«
    »Falls ihr dabei zum Fundort der Leiche
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