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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago
Autoren: Gisbert Haefs
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vierrädrigen Karren gehievt worden, ausgeliehen vom Zeugwart der Festung. Laetilius schwieg. Vielleicht dachte er über die nächsten Schritte nach, die er in der Fremde zu tun hatte. Jedenfalls schien er die abendlichen Straßen, die Menschen, Läden und Stände nicht besonders aufmerksam zu betrachten.
    Es war noch immer stickig; die Wolken hielten den Regen zurück, als ob sie ihn für etwas Bedeutendes aufsparen wollten. Bomilkar fuhr sich mit dem Unterarm über die schwitzende Stirn. Alles dies war nicht so, wie er es nachmittags am Hafen erwartet hatte.

    Er saß auf dem gepflasterten Kai, den Rücken an einen Poller gelehnt; über den Korb mit stinkenden Fischköpfen hinweg sah er, wie das Schiff durch die Hafeneinfahrt glitt. Ein römischer Schnellsegler, sieben Schritt breit und sicher zwanzig Schritt lang; sie hatten die Rah abgenommen und das Segel ordentlich aufgerollt. Vier Ruderer auf jeder Seite, die in gelassener Eintracht arbeiteten – Krieger, wie die beiden Männer im Heck, die regungslos zwischen den Steuerleuten standen; wie der Mann im Bug, der nun die stramme Haltung aufgab und sich nach der Vertäuleine bückte; und wie der Mann am kahlen Mast. Er schien den rechteckigen Hafen zu mustern, die Schiffe, die Gebäude, die Stauer und Seeleute, die mit Ketten gesperrte nördliche Durchfahrt, wo hinter schweren, beschlagenen Toren der Kriegshafen lag.
    »Entweder… «, murmelte Bomilkar. Er bewegte sich nicht; von seinem Platz an der Ostseite des Beckens konnte er genug sehen. Wieder betrachtete er die Männer an Bord des römischen Schiffs. Kein ›Oder‹; kein Zweifel. Der Mann am kahlen Mast mußte jener Titus Laetilius Mucro sein, den die Römer angekündigt hatten. Ein ägyptischer Händler mit guten Beziehungen hatte den Namen bestätigt, und schließlich, vor zwei Tagen, auch ein Vertrauensmann des Rats. Jener, den Senat und Volk geschickt hatten, um einen Ermordeten heimzuholen, schien nicht viel älter als fünfundzwanzig zu sein. An Bord des Schiffs konnte sich kaum noch jemand verstecken, und die anderen sichtbaren Männer waren eindeutig Seeleute, wenn auch Krieger.
    ›Zu jung?‹ dachte Bomilkar. Aber er selbst war nicht viel älter, und er würde der Gegenspieler des Römers sein. Wenn es zu irgendeiner Art Spiel käme. Er hatte sich nicht allzu gründlich mit den inneren Feinheiten der Rangstufen Roms befaßt – gerade genug, um zu wissen, daß heikle Aufgaben wie diese eigentlich älteren Männern übertragen wurden. Mindestens vierzig sollte einer sein, der…
Nur war an dieser Geschichte alles ungewöhnlich; warum sollte sich der Gegner also an gewöhnliche Verfahren halten ? Zehn Jahre waren vergangen seit dem Großen Römischen Krieg, sieben Jahre seit der Erpressung, mit der die Römer alle übrigen großen Inseln und Berge von Silber an sich gebracht hatten. Sieben Jahre ohne Kampf, aber kein Friede; Bomilkar zweifelte nicht daran, daß es einen weiteren Krieg geben würde, früher oder später, und daß auch die Römer Feind dachten, wenn der Name seiner Stadt genannt wurde. Den sie nicht richtig aussprechen konnten – Kart Hago! Daß Qart, ›Stadt‹, zu Kart geworden, der tief in der Kehle erzeugte k-Laut kaf zu einem gewöhnlichen hellenischen kappa verwandelt war, mochte angehen; aber auf welchem Weg sie wohl von Hadasht, ›neu‹, zu Hago gelangt waren? Vielleicht würde Laetilius es ihm erklären können.
    Der Segler lag nun am Westrand des Hafenbeckens; eben machten sie die Taue fest. Vom Tor zur Stadt her, in der Nordwestecke, näherten sich drei Männer: Arish, edler Ratsherr und Sprecher des für Fremdlande zuständigen Fünfer-Ausschusses, begleitet von einem Bewaffneten und einem Übersetzer. Ohne Regung sah Bomilkar, wie Arish den jungen Römer begrüßte und mit ihm zum Tor ging; der Wächter trug das Bündel mit Schriften, vermutlich vom Senat an den Rat, und der Übersetzer, einen halben Schritt hinter Arish und Laetilius, fuchtelte mit den Händen.
    Die gewöhnlichen Arbeiten im Hafen gingen weiter; niemand schien dem römischen Schiff besondere Bedeutung beizumessen. Es war mittlerer Nachmittag, windstill und stickig unter einem grauen Himmel. Der Nordwind, der die Römer übers Meer getrieben hatte, war morgens eingeschlafen; vermutlich hatten sie die letzten Stunden rudern müssen. Bomilkar schwitzte, obwohl er sich nicht bewegte. Er dachte an den Nordwind als an einen Hirten, der Wolkenschafe über der Stadt zusammengetrieben und dann verlassen
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