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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago
Autoren: Gisbert Haefs
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große unversperrte Fenster ging zur breiten Straße zwischen Mauerfestung und Stallungen. Es roch nach Tieren und feuchter Erde; nachts hatte es ein wenig geregnet, ehe Morgenwind die Wolken vertrieb.

    »Wie habt ihr euch denn das nun gedacht?« sagte der Arzt. Dabei blickte er Bomilkar an. »Wollt ihr richtig tief graben? Was ist Roms Anliegen? Was will der Rat?«
    Bomilkar hörte Laetilius scharf einatmen. Er wartete, aber der Römer sagte nichts.
    »Der Rat? Du weißt, was die Wünsche des Rats sind.« Bomilkar legte beide Hände mit gespreizten Fingern auf den Tisch und betrachtete die eigenen Nägel, als hätte er sie bis zu diesem Tag weder gesehen noch gar gezählt. »Die Alten, geführt von Hanno dem Großen, wollen ihre Ländereien von Sklaven bebauen lassen und Frieden mit Rom. Die Neuen wollen Fernhandel und hochwertiges Handwerk, und sie wollen sich nicht von Rom erpressen lassen. Arish, Fünf-Herr für Fremdlande, linke und rechte Hand Hannos, will, daß Laetilius sich frei bewegen kann. Also?«
    Artemidoros gluckste. »Den Rest kann ich mir denken. Nun ja; ihr werdet es schon irgendwie …« Er faltete die Hände hinter dem Kopf, lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Tisch. »Was soll ich ihm sagen?«
    Laetilius’ Stimme klang zornig, aber beherrscht. »Ihr müßt nicht den ganzen Tag über meinen Kopf hinweg reden. «
    Der Arzt bewegte sich nicht, verdrehte nur die Augen so weit, daß er den Römer ansehen konnte. »Meine Frau ist Punierin. Meine Kinder sind punische Hellenen. Hellenische Punier. Meine Treue gilt den Leuten dieser Stadt. Was ich weiß, steht ihnen zur Verfügung. Es ist nicht für andere; vor allem nicht für …« Er sprach nicht weiter.
    Bomilkar lächelte müde. Das nächste Wort des Arztes hätte Römer sein können, aber auch Ungeziefer , Länderdiebe oder Vertragsbrecher . »Sag uns, was du weißt.«
    »Laß uns etwas klären.« Laetilius blickte ihn von der Seite an; die Augen wirkten kalt, und die Wangenmuskeln waren angespannt. »Was sollst du tun, was mußt du tun, was willst du tun – was dies hier und mich angeht?«

    »Ich soll mit dir zusammenarbeiten. Ich muß eine lästige Arbeit erledigen. Ich will, daß es schnell vorbeigeht. Klar genug?«
    »Ausreichend.«
    Artemidoros lachte. »Ich sehe, ihr habt euch richtig lieb und werdet nette Tage verbringen.« Er nahm die Füße vom Tisch, stand auf und ging zu einem der Gestelle an der gegenüberliegenden Wand. Es dauerte nicht lange, bis er den gesuchten Papyros fand. Mit dem Rücken zu den beiden Männern sagte er: »Eine Leiche. Gefunden von einem Feldarbeiter, zwei Stunden nach Sonnenaufgang, am Rand eines großen Gartens in der Megara. Das Gelände, zu dem der Garten gehört, ist Teil des Besitzes von Hamilkar, genannt Baraq oder, auf Hellenisch, Barkas: der Blitz. Stratege von Libyen und Iberien, Führer der Neuen, Feldherr und Politiker.«
    Langsam, die Augen auf dem Papyros, kam er zu ihnen zurück und lehnte sich mit dem Gesäß an die Tischkante.
    »Gezeter wegen der Bedeutung des Besitzers. Und weil der Tote ein Römer war, der sich seit Tagen hier aufhielt. Er hatte lange auf Hamilkars Gut gewohnt und noch am Tag, bevor man ihn tot fand, mit dem Verwalter geredet. Der Verwalter wurde von dem Arbeiter gerufen. Seinerseits hat er dann die Wächter gerufen. Rufen lassen. Bomilkar und ich sind mit zwei Männern und einem Karren hinausgefahren. Eingetroffen gegen Mittag – sechs Stunden nach Sonnenaufgang. Soweit richtig?«
    Bomilkar nickte. Der Römer sah ihn nicht an; er starrte auf den Papyros in der Hand des Arztes. Dann schloß er die Augen, als ob er so besser zuhören könnte.
    »Der Verwalter hatte die Leiche nicht bewegt, nur mit einer Lederdecke gegen die Sonne geschützt. Ich habe den Toten untersucht, draußen und später hier.« Er blickte auf. »Müßt ihr genau wissen, welche Untersuchungen ich wo vorgenommen habe, oder reichen die Ergebnisse?«
    »Nur die Ergebnisse; ich war ja die meiste Zeit dabei.«

    Artemidoros ging auf die andere Seite des Tischs und setzte sich. »Nun gut; also.«
    Man hatte dem Römer die Kehle durchgeschnitten, vermutlich mit einem Krummdolch oder einer Sichel. Der Mörder hatte sich hinter Marcus Lavinius aufgehalten; Art und Verlauf des Schnitts ließen auf einen schnellen, kraftvollen Vollzug durch einen mit Messern erfahrenen Linkshänder schließen. Mit der Rechten hatte er dabei den Kopf des Römers zurückgebogen, indem er ihn an den Haaren packte;
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