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Das Gold des Bischofs

Das Gold des Bischofs

Titel: Das Gold des Bischofs
Autoren: Simon Beaufort
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folgte ihm benommen mit dem Kasten. Odard stolperte seinen Arm umklammernd hinterher.
    Â»Ich kann jetzt nicht scheitern!«, rief er verzweifelt. »Nicht nach vier Jahren!«
    Geoffrey warf einen letzten Blick auf Eleanor und fasste dann Roger am Arm, um ihn nach draußen zu ziehen. Wenn Odard und Flambard einander auf offener Straße anbrüllen wollten, dann sollten die beiden Ritter lieber nicht mehr da sein, wenn man den geflohenen Bischof und seinen Gefolgsmann festsetzte. Und Geoffrey hatte auch nicht vor, Cenred zu Eleanors Tod Rede und Antwort zu stehen. Diese Geschichte war zu verwickelt, und Geoffrey konnte nicht wissen, was Cenred glauben würde. Vielleicht würde dieser sogar beschließen, auf Nummer sicher zu gehen und jeden Einzelnen an König Henry auszuliefern. Dann würden sie alle als Verräter hingerichtet.
    Draußen war die Sonne schon lange untergegangen, und der Himmel war dunkelblau. Die Luft war milde, und Geoffrey spürte, dass der Frühling nicht mehr fern war. Die Schneehaufen schmolzen, und von den Dächern ging ein steter Schauer nieder. Ein leises Knacken ließ Geoffrey nach oben blicken, wo Eiszapfen wie spitze Hauer den Rand von Eleanors Dach säumten. Entsetzt beobachtete er, wie sich einer löste und herabstürzte. Mit einem Aufschrei sprang er gegen Roger und stieß ihn unter der Dachtraufe weg. Der Eiszapfen krachte auf den Boden. Erschrocken sah Odard auf die Eissplitter.
    Es knackte ein weiteres Mal, und Odard brach zusammen. Das Ende eines Eiszapfens ragte aus seinem Kopf. Er war auf der Stelle tot. Nüchtern blickte Flambard auf ihn hinab.
    Â»Das ist göttliche Gerechtigkeit«, verkündete er. »Vier Jahre lang hat er sich in mein Vertrauen geschlichen und so getan, als wäre er mein Freund. Aber die ganze Zeit dachte er nur daran, Aarons Stab in die Hände zu bekommen und ihn seinem Großmeister vorzulegen. Aber er wird ihn nicht bekommen. Der Stab gehört mir.«
    Â»Welche Ironie, dass dann diese Schlange nicht mehr mit Aarons Stab zu tun hat als jener Eiszapfen dort«, stellte Geoffrey leise fest.
    Â»Wie meinst du das?«, fragte Roger und klang so müde, wie Geoffrey ihn noch nie erlebt hatte. »Er ist echt.«
    Â»Natürlich ist er nicht echt, Roger«, bekannte Flambard verächtlich. »Was glaubst du denn? Wie soll so ein Kadaver zwei Jahrtausende unbeschadet überstehen? Was Simon da in Händen hält, ist eine Ringelnatter, die ich vor vier Jahren präparieren ließ.« Ein kurzes diabolisches Lächeln blitzte auf Flambards Gesicht auf. »Aber das weiß niemand außer Euch und mir, und Ihr werdet nie beweisen können, was ich Euch soeben erzählt habe.«
    Â»Aber warum?«, rief Roger entsetzt.
    Â»Was glaubst du wohl?«, fragte Flambard mit einem Achselzucken. »Er wird mich reich und mächtig machen.«
    Â»Luna Maria hatte Recht«, murmelte Geoffrey voll Abscheu. »Aber als sie mich vor der Schlange warnte, da meinte sie nicht diesen vertrockneten Kadaver – sie meinte Euch!«
    Flambard lachte. »Vielleicht tat sie das. Aber wenn Turgot und Burchard herausbekommen, was sie sich durch die Finger schlüpfen ließen, dann werden sie meine Geschichte für mich verbreiten. Und die Sachsen werden begeistert sein bei der Vorstellung, dass ihr heiliger Balthere eine Rolle in dem Ganzen gespielt hat. Jeder wird glauben, dass ich den echten Stab besitze. Und was die Leute glauben, ist viel wichtiger als die Wahrheit.«
    Er deutete eine spöttische Segnung an und verschwand mit Simon und der Schlange in der Dunkelheit.

G ESCHICHTLICHE A NMERKUNGEN
    Reliquien – wie beispielsweise Splitter vom Kreuz Christi oder die Knochen von Heiligen – waren im Mittelalter von großer Bedeutung. Die Leiber berühmter Heiliger wie Cuthbert wurden ganz besonders verehrt, obwohl auch weniger bekannte wie Balthere der Verehrung für würdig erachtet wurden.
    Cuthbert war ein Einsiedler, der im 7. Jahrhundert ein Kloster auf der entlegenen Insel Lindisfarne gegründet hatte. Angriffe der Wikinger führten dazu, dass dieses Kloster im 9. Jahrhundert aufgegeben wurde und die Mönche Cuthbert ausbetteten, um ihn mit sich zu nehmen. Der Leichnam wurde »unversehrt« vorgefunden, womöglich, weil er in Meersalz konserviert worden war, und man erklärte dies zum Wunder. Cuthbert und seine Mönche zogen einige Jahre umher, ehe sie
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