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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Gerit Bertram
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und sie mit der Hochzeit warten müssen, bis die Goldspinnerei schon eine Weile geöffnet war.
    Mit einem Seufzer nahm Cristin die Handspindel vom Schrank. Aus der englischen Schurwolle, von der Baldo letzte Woche am Nikolaifleet einem Handelsschiffskapitän drei Ballen abgekauft hatte, wollte sie einen wärmenden Umhang fertigen. Etwas ganz Besonderes sollte es werden, staunen würden die Kunden, wenn sie den feinen Stoff in der Werkstatt zu sehen bekämen. Geschmückt mit einer der auffallenden Broschen, die ihr Gatte neuerdings in einem kleinen Häuschen neben der Goldspinnerei anfertigte, könnte sie die Leute endlich davon überzeugen, dass die ihre zu den besten und kunstfertigsten Spinnereien der Hansestadt gehörte.
    Cristin massierte die Fingerknochen. Gut, dass Baldo nicht zu Hause ist, dachte sie. Ein Donnerwetter wäre ihr sicher, wenn er sie um diese Zeit noch mit der Spindel erwischte. Da war er Lukas ähnlich. Sie schloss die Augen. Einen Moment lang sah sie ihren ersten Ehemann vor sich, sein volles, dunkelbraunes Haar, die hochgewachsene Gestalt. Fast fühlte sie Lukas’ Blick aus den blauen, von feinen Fältchen umgebenen Augen auf sich gerichtet, und sah seine schmalen Lippen, die sich zu einem Lächeln hoben.
    Es versetzte ihr einen schmerzhaften Stich, als sich ein anderes Bild in ihr Gedächtnis schob – ihr Mann, nunmehr schweißnass, mit nach oben gerichteten Augen, sterbend in ihren Armen. Lynhard, sein eigener Bruder, hatte ihn aus Habgier vergiften lassen. Das wusste sie genau, auch wenn man ihm den Mord nicht hatte nachweisen können. Aber zumindest saß Lynhard im Lübecker Turm, verurteilt wegen mehrfachen Mädchenhandels. Erneut erfasste Cristin die Trauer. Sie schüttelte das Bild ab und ersetzte es durch ein anderes – Baldo, auch er hochgewachsen, doch mit seinen neunzehn Lenzen weitaus jünger als ihr erster Mann.
    Baldo Schimpf, der Mann, der ihr das Leben gerettet und mit ihr geflohen war. Geliebter Baldo. Sie erwartete ihn nicht vor Ende nächster Woche zurück. Er war auf dem Landweg nach Polen unterwegs, um bei Bastian Landsberg Bernsteine einzukaufen. Baldo fertigte daraus Schmuckstücke, die Cristin in ihrer Werkstatt ausstellte und verkaufte. Gern wäre er Kupferschmied geworden, doch dieses Handwerk blieb ihm verwehrt. Vor einiger Zeit waren sie zur Zunft der Kupferschmiede gegangen, um sich nach den Bedingungen für eine Aufnahme zu erkundigen. Dort hatte er erfahren, dass auch in Hamburg die Eltern des zukünftigen Mitglieds keinen unehrenhaften Beruf ausüben durften. Als Sohn eines Henkers waren Baldo damit alle Türen verschlossen.
    Ihre Gedanken kehrten zu dem Bernsteinhändler zurück. Landsberg war nicht nur ihr Geschäftspartner, sondern ihnen auch einechter Freund geworden. Mit einem Lächeln erinnerte sie sich an die erste Begegnung mit dem unauffälligen Mann. Baldo, ihr Zwillingsbruder Piet und sie waren kurz zuvor in Polen angekommen und hatten einen Spaziergang am Strand unternommen, als sie im Wasser diese seltsamen Steine entdeckt hatte. Kurz darauf war ihnen Landsberg über den Weg gelaufen und hatte ihnen den Fund abgekauft. Wie viel seitdem geschehen war!
    Inzwischen hatte sich ihre zweijährige Tochter Elisabeth zu einem wahren Wirbelwind entwickelt. Nichts war mehr sicher vor ihren neugierigen Blicken und flinken Fingern. Minna und sie hatten ihre liebe Not, Elisabeths angeborene Neugier im Zaum zu halten. Erneut verzogen sich Cristins Lippen zu einem Lächeln. Den Drang, alles zu erkunden, musste das Kind von ihr geerbt haben. Ihr wurde ganz warm ums Herz, wenn sie an die Kleine und Baldo dachte. Er war ein wunderbarer Vater, selbst wenn er nicht der Mann war, mit dem sie Elisabeth gezeugt hatte.
    Cristin horchte in die Stille hinein, die das Haus erfüllte. Längst schlief ihre Tochter in der kleinen Kammer, die ihr Mann und sie dem Kind im Obergeschoss des Hauses eingerichtet hatten, und auch Minna hatte sich zur Ruhe begeben. Wer hätte gedacht, dass ihr noch einmal ein derartiges Glück beschieden sein würde? Baldo war ein ungewöhnlicher Mensch, manchmal launisch bis ins Mark, doch sie konnte sich keinen hingebungsvolleren Ehemann vorstellen. Zwei Wochen, nachdem sie Lübeck verlassen hatten, waren sie Ende August 1398 miteinander eine Friedelehe eingegangen, doch anders als bei ihrer Hochzeit mit Lukas hatte es diesmal keine Brautmesse, keine Brautgabe, ja nicht einmal eine Feier gegeben. Als Angehörige unterschiedlicher Stände hatten sie
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