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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Gerit Bertram
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die Geschäfte nicht. Bin nun mal keine zwanzig mehr.«
    Die junge Frau heftete ihre Augen auf ein kleines Loch in der Wand. Eine Schnauze mit langen, leicht zuckenden Barthaaren wurde sichtbar, und zwei dunkle Knopfaugen blickten sich um. Eine Maus huschte heraus, eine zweite folgte ihr quer durch die Hütte. Vor einem hölzernen Behältnis blieben die Tiere stehen und schnupperten. Die junge Frau wandte sich ab. Ihre Hände fühlten sich klamm an.
    »Du weißt, was mir passiert ist. Einer wie mir gibt doch keiner Arbeit.«
    Die Ältere schwang die Beine aus dem Bett. Ihre fleischigen Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, während sie das Mädchen musterte.
    »Wenn den Kerlen die Bruche eng wird, ist’s ihnen gleich, ob ein Weib mal am Schandpfahl gestanden hat. Und du hast ’nen schönen Körper … Wie ich früher«, setzte sie bedauernd hinzu.
    »Du willst, dass ich …?«
    Alheyd zuckte die Achseln. »Weißt du was Besseres, um unsere Kasse zu füllen?«
    Die junge Frau wollte etwas entgegnen, doch die Hure winkte ab.
    »Hör zu, ich stell dich noch heute einigen meiner Stammkunden vor.« Ihr Blick glitt über den schlanken Körper der Jüngeren und blieb an ihren wohlgeformten Brüsten haften. »Denen steigt der Saft in die Lenden, wenn sie dich bloß sehen, verlass dich drauf.«
    »Ich … ich kann das nicht, Alheyd. Ich will mich nicht von Fremden …«
    »… anfassen lassen?« Die Hure zeigte eine Reihe gelbe, aber überraschend kräftige Zähne. »Dumme Deern! Du solltest deinen Körper einsetzen, solange er noch in Form ist. Glaub mir, ist gar nicht schwer.«
    Hamburg
    Längst war es Abend geworden in dem Hamburger Haus mit der angrenzenden Goldspinnerei, die Cristin und Baldo Schimpf seit etwa acht Monaten betrieben. Frühlingswarmer Wind drang durch das geöffnete Fenster der Werkstatt.
    »Herrje, Ihr seid ja immer noch auf!«
    Minna betrat den Raum, die Arme über der mächtigen Brust gekreuzt. »Wollt Ihr nicht endlich Schluss machen? Morgen ist doch auch noch ein Tag. Nicht, dass Ihr mir noch vor Müdigkeit vom Stuhl fallt.« Ihr rundes Gesicht mit den vielen Sommersprossen nahm einen sorgenvollen Ausdruck an.
    Die Hausherrin Cristin Schimpf nickte ihrer Lohnarbeiterin zu. »Keine Sorge, Minna, mir geht es gut«, versicherte sie der Frau, die sie mit zusammengezogenen Brauen betrachtete. »Nur noch ein kleines Weilchen, ja?«
    Die andere schnalzte mit der Zunge. »Nichts da, Deern! Ich bestehe darauf: Ihr geht jetzt hübsch brav ins Bett!«
    Cristin schmunzelte wegen des gespielt strengen Tons, den die Frau, die bestimmt doppelt so alt war wie sie selbst, ihr gegenüber angeschlagen hatte.
    »Ja, du hast recht«, gab sie nach kurzem Zögern zu und wünschte ihrer Lohnarbeiterin eine gute Nacht, nicht ohne ihr das Versprechen abzunehmen, dass Minna sich ebenfalls bald zu Bett begeben würde.
    Cristin wartete, bis sich die Tür hinter Minna geschlossen hatte. Es war Anfang Mai, und von dem geöffneten Fenster drang der letzte Gesang einer Amsel zu ihr herüber, bevor die Nacht sich über Hamburg senken würde. Jener Stadt, in der sie nun, nachdem sie ihre Heimatstadt Lübeck mit Baldo Schimpf verlassen hatte, zu Hause war. Der Abend war lau und vom Duft der Frühlingsblüten erfüllt. Tief sog sie ihn ein und lauschte einen Augenblick dem Lied des Vogels. Dann holte sie ein in den Falten ihres Surcots verborgen gehaltenes Gefäß hervor. Sie biss sich auf die Unterlippe, während sie die kühlende Salbe auf die schmerzenden Gelenke strich. Die schmalen Finger der jungen Frau mit den rotblonden, hochgesteckten Haaren waren vom stundenlangen Arbeiten angeschwollen. Sie stellte das Gefäß mit der Salbe auf ein kleines Tischchen neben sich.
    Erst kurz vor der Eröffnung der Werkstatt war Cristin in die neu gegründete Zunft der Goldspinnerinnen aufgenommen worden. Dies war nicht leicht gewesen, denn bei aller Geschicklichkeit, die sie sich in den Jahren an der Seite ihres ersten Mannes angeeignet hatte, war Cristin keine Meisterin, ja noch nicht einmal Gesellin. Allein ihre damalige Witwenschaft hatte ihr die so dringend benötigte Mitgliedschaft in der Gilde ermöglicht, jedoch verbunden mit der Auflage, so bald wie möglich einen Zunftknecht einzustellen. Einen solchen zu finden, würde sicher noch einige Zeit dauern, zumal sie ihm nicht viel bezahlen konnte. Deshalb musste sie wohl oder übel vorerst ohne weitere Hilfe auskommen. Um ihre Mitgliedschaft in der Zunft nicht zu gefährden, hatten Baldo
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