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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Gerit Bertram
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im Türrahmen der Spinnerei, den Blick auf seine Frau geheftet.
    »Oh ja«, erwiderte diese ungerührt, ohne die Arbeit am Spinnrad zu unterbrechen.
    Auch wenn sie sich äußerlich in der Gewalt zu haben schien, musste Cristin sich beherrschen, um sich ihre Empörung nicht anmerken zu lassen. Ungehobelter Kerl! Während sie seine schlaksige Gestalt mit dem dunklen Haar aus den Augenwinkeln maß und den gelassenen Ausdruck auf seiner Miene wahrnahm, fragte sie sich, warum sie sich ausgerechnet in diesen Mann verliebt hatte. Sie zwang ihre Aufmerksamkeit auf den Wollfaden zurück.
    »Mehr hast du mir nicht zu sagen, Weib?«
    Sie hob den Kopf. »Ich werde hinfahren … mit Elisabeth. Ob du mich begleitest oder nicht. Und es ist mir gleich, wenn es dir nicht gefällt. Jadwiga braucht mich.«
    Baldo machte einen Schritt auf sie zu, fasste sie am Arm. »Jetzt sei doch vernünftig! Eine junge Frau mit einem Kleinkind allein unterwegs … Außerdem dauert es noch ungefähr drei Monate, bevor Jadwigas Kind auf die Welt kommen soll.«
    Mit einer knappen Handbewegung schnitt sie ihm das Wort ab. »Jadwiga wird ihre Gründe haben, warum sie mich jetzt schon zu sich bittet! Die Spinnerei wird geschlossen, bis ich wieder daheim bin. Die Königin wird uns reich entlohnen, das hat sie geschrieben.«
    »Elisabeth bleibt hier!«
    »Niemals!«
    Baldo umfasste Cristins Schultern, zwang sie, ihn anzusehen. Plötzlich wirkten seine Augen beinahe so schwarz wie die Nacht.
    »Du wirst die Kleine nicht in Gefahr bringen, hörst du? Das werde ich nicht zulassen! Du weißt doch selbst, was auf so einer Reise alles passieren kann. Kerle wie diesen Arnd von Krämer gibt es nicht nur auf den Meeren«, erinnerte er sie an den Überfall der Vitalienbrüder, die das Hanseschiff Sturmvogel geentert hatten, auf dem Cristin und er im vergangenen Jahr von Polen nach Lübeck zurückgereist waren.
    Mit einem Ruck machte sie sich von ihm frei und warf den Kopf zurück. Ihre Wangen glühten. Jedes einzelne Wort bereitete ihr innere Schmerzen.
    »Viel zu lange war ich von Elisabeth getrennt. Ich kann sie nicht allein lassen, verstehst du das denn nicht?«
    Tränen nahmen ihr die Sicht. Cristin wehrte Baldo ab, als er sie in die Arme ziehen wollte.
    »Lass mich bitte. Ich muss … ich habe zu tun.«
    Sie nahm den Faden wieder auf, sah nicht mehr hoch, auch wenn ihre Finger zitterten wie Blätter im Herbstwind. Als Baldo endlich die Spinnerei verließ, atmete sie auf und lehnte den Kopf gegen die Lehmwand.
    Erinnerungen aus der Zeit, in der sie nicht wusste, ob sie ihr Kind jemals wiedersehen würde, drängten sich ihr auf. Nie würde sie vergessen können, wie es gewesen war, fern von Elisabeth zu weilen, immer in der Sorge, ob die Kleine wohlbehalten aufwuchs. Doch die Sehnsucht nach der Tochter und der Wunsch, sie eines Tages wieder bei sich zu wissen, hatten ihr Kraft gegeben, die Suche nach Lukas’ Mörder nicht aufzugeben.
    Alles hatte sich letztlich zum Guten gewendet. Und dennoch, die Ereignisse hallten immer noch in ihr nach, beschäftigten sie selbst in ihren Träumen. Manchmal wurden die Ängste der Vergangenheit schon durch ein Gespräch wieder in ihr lebendig. Eines Tages würde sie über die zurückliegenden dunklen Jahre sprechen können, und die Bilder aus der Vergangenheit wären nichts weiter als Schemen und Eindrücke, die nach und nach verblassten. Sie hatte so viel Anlass, sich glücklich zu schätzen und dankbar zu sein. Cristin wartete, bis sich der Sturm in ihrem Inneren legte.
    Unter ihren Fingern sollte ein liturgisches Gewand entstehen, im Auftrage des Klosters Frauenthal in Herwardeshude. Sehr reich und angesehen sei das Kloster, hatten Nachbarn ihr erzählt. So manche Hamburger Bürgerstochter aus den vornehmsten Familien erfüllte dort als Nonne ihre Gelübde. Für Cristin als neue Goldspinnerin in der Stadt war der Auftrag ungemein wichtig und eine besondere Ehre zudem. Ihr durfte nicht der kleinste Fehler unterlaufen. Sie presste die Lippen aufeinander. In Gedanken zählte sie die verbleibenden Monate, bis das Gewand fertiggestellt sein musste, und seufzte. Der guten Minna konnte sie unmöglich die aufwendigen Goldstickereien überlassen.
    Das Abendessen war ungewöhnlich still zwischen den Frischvermählten verlaufen. Die kleine Elisabeth streckte die Arme nach ihrer Mutter aus, und Cristin zog sie auf den Schoß. Das Kind war müde und lehnte das Köpfchen gegen ihre Brust, der Daumen war nahezu im Mund verschwunden. Sie
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