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Das Glück einer Sommernacht

Das Glück einer Sommernacht

Titel: Das Glück einer Sommernacht
Autoren: Barbara Wallace
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seinen einzigen Talisman umklammerte. Dieser Becher war das Letzte, was ihr aus ihrem früheren Leben geblieben war. Mit ihrer Mutter hatte sie sicher nicht im Paradies gelebt, aber wenigstens war sie dort erwünscht gewesen. So redete sie es sich jedenfalls gern ein.
    Sie lehnte sich an das Kopfende des Bettes und presste den Becher gegen die Brust. Auch dieser Augenblick der Einsamkeit gehörte zu ihrer Routine. Er würde bald vergehen, wie immer, wenn sie sich erst an eine neue Umgebung gewöhnt hatte. Allerdings war das Gefühl diesmal stärker als sonst. Kein Wunder, bei diesem abweisenden Empfang!
    Kelsey verharrte noch ein paar Minuten in Selbstmitleid, dann steckte sie das Gefühl irgendwo tief in ihrem Innern in eine Schublade und trat ans Fenster. Ihr Schlafzimmer ging hinaus auf einen wilderen Teil des Gartens mit Blick zum Wald. Der Ausblick verstärkte das Gefühl der Einsamkeit nur noch. Draußen hinter den Bäumen sah sie das letzte Tageslicht. Innerlich kam es ihr schon viel später vor.
    „Echtes Landleben“, murmelte sie und schob das Fenster hoch. Die Stille war unheimlich. Nur Blätter rauschten leise, und vereinzelte Vögel riefen. Ob sie ohne das ewige Hintergrundgeräusch des Verkehrs überhaupt schlafen konnte? Ohne den vertrauten Schein der Straßenlaternen? Von Außenbeleuchtung schien Mr Markoff nicht viel zu halten.
    Natürlich nicht! Sie verdrehte die Augen. Lampen würden all das Dunkel zerstören, mit dem er sich offenbar gern umgab.
    Zu ihrer Rechten knackte ein Zweig. Sie beugte sich leicht vor und rechnete fast damit, dass gleich irgendein wildes Tier unter den Bäumen herauslief. Stattdessen sah sie etwas viel Überraschenderes: die Umrisse eines Mannes.
    Alex Markoff.
    Er ging am äußersten Rand des Grundstücks am Wald entlang, konzentriert, mit gesenktem Kopf, als zählte er seine Schritte. Kelsey sah zu, wie er näher kam, und plötzlich saß ihr ein Kloß im Hals. Alex Markoff wirkte so allein. Überhaupt nicht wie der feindselige, arrogante Mann, der ihr am Nachmittag die Tür geöffnet hatte. Dieser Mann dort unten erinnerte an einen Geist. Ja, dachte sie, das ist der passende Ausdruck. Er war da und doch nicht da.
    Als er noch näher kam, zog Kelsey sich schnell zurück. Das fehlte noch, dass er merkte, wie sie ihn beobachtete! Jetzt blieb er stehen und wandte sein Gesicht ihrem Fenster zu.
    Kelsey unterdrückte ein Seufzen. Das letzte Licht spiegelte sich in seinen Augen wider und verwandelte sie in glitzerndes Silber. Sogar von hier oben konnte sie die Gefühle erkennen, die in ihm arbeiteten, schutzlos und widerstrebend. Sie hätte nicht sagen können, was sie dort sah, aber es berührte etwas in ihr, das ihr sehr vertraut war. Und es kam ihr vor, als würde Alex Markoff sie direkt ansehen. Mehr noch, als ob er tief in sie hineinblickte. Das war natürlich vollkommen albern, denn von dort, wo er stand, konnte er sie auf keinen Fall sehen.
    Irgendwann ging er weiter, aber seine Gegenwart schien noch lange in der Nachtluft zu hängen. Leise ließ Kelsey das Fenster herunter. Kurz darauf hörte sie Schritte auf der Treppe, und ganz in der Nähe fiel eine Zimmertür zu.
    Sein Zimmer lag direkt neben ihrem, das war ihr gar nicht bewusst gewesen! Durch die Wand hörte sie einen Stuhl rücken, und sie hätte schwören können, dass ein langer, frustrierter Seufzer folgte. Plötzlich klirrte Glas, und ein Papierstapel schien zu Boden zu fallen, begleitet von einem leisen Fluch. Die Tür ging auf, und schwere, ärgerliche Schritte hallten durch die Diele, dann schlug die Haustür zu.
    Ganz so still war es nachts hier also doch nicht! Aber in einem hatte sie recht gehabt: Es würde ein sehr langer Sommer werden. Vielleicht hätte sie doch lieber in New York bleiben und drei Jobs gleichzeitig annehmen sollen. Und noch länger an Grandma Rosies Schulden gefesselt bleiben?
    Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich rücklings auf das Bett fallen. „Das habe ich alles dir zu verdanken, Grandma“, murmelte sie.
    Markoff war nicht der Einzige, der in ihrer jetzigen Situation keine Wahl hatte.

2. KAPITEL
    „Gott sei Dank gibt es Kaffee auf der Welt.“ Kelsey trank genüsslich einen großen Schluck. „Hmm, italienische Röstung, frisch gekocht. Damit rette ich mich heute über den Tag.“
    Ihre Tischgesellschaft, ein großer orangefarbener Wuschelkater, der wie Garfield aussah, sagte nichts. Kelsey hatte das Tier auf der Terrasse dösend gefunden, als sie bei Sonnenaufgang
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