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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz
Autoren: Virginia Doyle
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Auguste Escoffier gearbeitet hatte.
    Es war draußen noch stockdunkel, als die ersten Kunden den Bäckerladen betraten und von Frau Dunkel bedient wurden, die inzwischen ihren Morgenrock gegen ein blaugraues Kleid und eine weiße Schürze eingetauscht hatte. Als es endlich richtig hell wurde, gab es ein kurzes Frühstück. Es bestand aus kräftigem, mit Kümmel gewürztem Roggenbrot und einer Leberwurst, die für Pistoux’ Begriffe zu sehr mit Majoran gewürzt worden war. Dazu tranken sie wieder Zichorienkaffee und frische Milch, die jemand in einer großen Bleckkanne vorbeigebracht hatte. Die Frau des Bäckers strich sich die Wurst ganz dünn aufs Brot und nahm sich aus einem Tonbottich immer wieder etwas heraus, das Pistoux für eine Art Tomatenpaste hielt, bis er merkte, dass sie auf ihre Wurst Himbeermarmelade strich. Der Bäcker wiederum schmierte sich die Wurst fingerdick aufs Brot und aß schmatzend, wobei er seine dicken Ellbogen breit auf den Tisch stemmte.
    Die Pause dauerte nicht lange. Zwar waren die meisten Brötchen und Hörnli schon verkauft, und die Brote lagen ordentlich aufgereiht auf den Regalen im Verkaufsraum, aber an Arbeit fehlte es weiterhin nicht. Nun kam das Süßgebäck an die Reihe.
    »Heute machen wir erst mal unsere Busserl, und dann kommen die Spekulatius dran«, sagte Friedrich Dunkel.
    Pistoux sah ihn neugierig an: »Busserl?«, fragte er. Das Wort hatte er noch nie gehört.
    »Ja, Busserl«, wiederholte der Bäcker, »und Spekulatius.«
    Plötzlich kicherte seine Frau. Dunkel blickte sie erstaunt an. »Was?«
    Sie kicherte nochmal, und es wirkte eher so, als müsste sie hüsteln.
    »Er weiß nicht, was Busserl sind«, sagte die Bäckersfrau.
    Dunkel zog die Augenbraue hoch und brummte: »Na, Busserl sind Busserl, oder nicht?«
    Seine Frau stieß ihm den Ellbogen in die Seite. Er sah sie verblüfft an. Sie hielt sich die Hand vor dem Mund.
    »Aber Friedrich!«, sagte sie.
    Der Bäcker wandte sich an seinen neuen Gesellen: »Wir machen Haferbusserl, Schokoladenbusserl und Dattelbusserl. «
    »Und manchmal gibt’s auch einfach so eins«, rief seine Frau mit erstickter Stimme und schlug ihm plötzlich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. Dann stand sie hastig auf, hielt sich die Hand vor den Mund und stürzte aus der Küche.
    »Ich weiß nicht, was sie hat«, brummte der Bäcker. »Busserl sind doch bloß Plätzchen.« In seinen Mundwinkeln zuckte es, als wolle auch er jeden Moment losprusten.
    Pistoux sah ihn verwirrt an.
    »Na, jedenfalls werden sie aus einer Baisermasse gemacht«, sagte Friedrich Dunkel schulterzuckend. »Zucker und Butter muss auch mit rein. Meine Frau hat gestern schon einiges vorbereitet. Das geht schnell.« Dann stockte er und sah Pistoux an: »Habt ihr keine Busserl in Frankreich?«
    »Ich habe schon verstanden«, sagte Pistoux. »Baisers gibt es auch in meiner Heimat.«
    »Aha.«
    »Aber was sind Spekulatius?« Für Pistoux als Franzosen war es gar nicht so einfach, dieses Wort auszusprechen.
    Der dicke Bäcker stand ächzend auf. »Na, dann komm mit«, sagte er.
    Pistoux folgte ihm in die Backstube. Der Bäcker durchquerte die Backstube und trat in die kühle Vorratskammer, die sich dahinter befand. Als er wieder herauskam, hielt er eine mit einem Tuch abgedeckte große irdene Schüssel in den Händen. Er trug sie zum Tisch und stellte sie ab. Dann zog er das Tuch weg.
    »Da, das ist der Teig«, sagte er.
    Pistoux warf einen Blick in die Schüssel und sah nur einen Teig, der aussah wie jeder andere auch.
    »Ein Mürbeteig«, erklärte Dunkel, während er sich abwandte und zum Regal ging. »Fünf Teile Mehl, zwei Teile Zucker, zwei Teile Butter, ein Teil Nüsse und natürlich Eier. Dazu Nelken, Kardamom und Zimt. Und dann wird’s hiermit geformt.« Er hielt ein Stück Holz in die Höhe.
    »Was ist das?«
    Dunkel drehte das Holzstück um. Es war eine Form, die einen Mann in mittelalterlicher Tracht zeigte. Dunkel hatte auch noch ein Holzstück in der anderen Hand, das er jetzt umdrehte. Es zeigte eine dazu passende Frau.
    Der Bäcker drehte sich um und zog einen Korb aus dem Regal. »Wir haben auch noch Tiere. Pferde, Hühner, Hirsche, Schweine, den schlauen Fuchs und alles, was das Herz begehrt.« Er stellte den Korb auf den Tisch. »Na, dann fang gleich mal an. Ich kümmere mich solange um die Busserl.« Ein Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht, und er verließ die Backstube, um nach seiner Frau zu sehen.
    Pistoux holte sich ein Backblech und begann
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