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Das giftige Herz

Das giftige Herz

Titel: Das giftige Herz
Autoren: Virginia Doyle
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Vergiftungstheorie bestätigt hatte. Um welches Gift es sich handelte, konnte der Mediziner noch nicht sagen.
    Wanner trat in den engen Käseladen, wo sich auf schiefen roh gezimmerten Holzregalen zahlreiche Käsesorten aus allen deutschen Landen und sogar aus dem Ausland drängten. Die Verkäuferin, eine mittelgroße stämmige Frau undefinierbaren Alters, deren Gesicht die Farbe ihrer Produkte angenommen hatte, begrüßte ihn mit einem dünnen Lächeln. Sie kannte ihn schon. Er war ja praktisch Stammkunde.
    »Eine Käswurst«, sagte Wanner.
    »Sehr wohl, der Herr.«
    Die Frau bückte sich und kramte eine Holzschachtel hervor. Wieso konnte sie die Würste nicht einfach in eine Ecke hängen, wo man sie schnell abpflücken konnte, wenn er kam? Die Käswurst, zwei Finger dick, zwei Finger lang, sah zwar aus wie eine Wurst, war aber aus Käse gemacht. Eine Spezialität aus Wien. Es gab sie nur in diesem Laden zu kaufen. Wanner hatte den Verdacht, dass er der Einzige war, der sie kaufte.
    »Oh«, sagte die Frau, nachdem sie sich ächzend erhoben und die Holzschachtel auf den schmalen Verkaufstresen gestellt hatte: »Da sind nur noch zwei, dann sind sie aus.«
    Wanner sah sie entgeistert an: »Nur noch zwei Stück? Wann kommen denn die nächsten?«
    Die Frau machte eine geringschätzige Handbewegung: »Ach, das wird sicherlich bis nach Weihnachten dauern.«
    »Bis nach Weihnachten gibt es keine Käswürste mehr?«, fragte Wanner.
    »Na, nur die beiden hier.«
    Wanner blickte auf die beiden Würste in der Schachtel. Sie lagen da in fettigem Papier und sahen verschrumpelt und hässlich aus. Unappetitlich. Aber er wusste ja, wie gut sie schmeckten. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen.
    »Ich nehm sie beide«, sagte er.
    »Ist recht.« Sie wickelte sie in das fettige Papier ein, nahm das Geld entgegen und reicht ihm das kleine Päckchen.
    Missmutig nahm Wanner es entgegen, erwiderte ihr dünnes Lächeln mit einem knappen Kopfnicken und verließ den kleinen Laden.
    Draußen faltete er das Einpackpapier auseinander, nahm sich eine Wurst und steckt die andere in die Manteltasche. Er biss ein Stück ab und kaute genüsslich. Ein bisschen trocken war sie geworden, die Käswurst, aber noch immer ein Genuss.
    Mit der Wurst in der Hand machte er sich an die Arbeit. Auf dem Hauptmarkt stand Bude an Bude. Bratwürste wurden verkauft, es gab Glühwein und Punsch, Weihnachtsschmuck, Kerzen, Rauschgoldengel, verschiedene Geschenkartikel, allerlei Süßigkeiten – und natürlich Lebkuchen.
    Es war kaum anzunehmen, dass hier vergiftete Lebkuchen verkauft wurden, aber irgendwo musste er mit seinen Ermittlungen ja beginnen. Der Christkindlesmarkt war der Mittelpunkt der Stadt, also der beste Ausgangspunkt für jemanden, der eine Stecknadel im Heuhaufen suchte.
    Niemand hatte eine Anzeige aufgegeben, dass der Junge, den sie im Stadtgraben gefunden hatten, vermisst wurde.
    »Ja, was?«, rief die Verkäuferin der ersten Bude, die er angesteuert hatte, aus. »Einen kleinen Jungen suchen Sie, der Lebkuchen gekauft hat?« Sie lachte. »Da gibt’s viele.«
    Wanner beschrieb ihr den Jungen, seine zerlumpte Kleidung und bekam als Antwort nur ein Kopfschütteln. Die Käswurst in der Hand, ging Wanner zur nächsten Bude. Auch hier hatte man den Jungen, der vergiftet worden war, nicht gesehen. Wanner kaute auf seiner Käswurst herum und blieb geduldig. Es war seine Aufgabe, zu fragen, also tat er es. Zugegeben, bei der dritten Bude war er gelangweilt, bei der fünften verlor er das Interesse, bei der siebten hörte er kaum noch hin. Er ging ganz einfach nur mechanisch seiner Arbeit nach. Schließlich hatte er alle Buden abgeklappert und nichts erfahren. Um ihn herum belebte sich das Marktgeschehen. Es war jetzt Nachmittag, der Himmel verdüsterte sich wieder, und mit einem Mal fielen dicke Schneeflocken vom Himmel. Es war, als wäre Frau Holles Bettdecke geplatzt, so dicht wurde das Schneetreiben innerhalb von wenigen Minuten.
    Inspektor Wanner stellte den Mantelkragen hoch und rückte sich den Hut zurecht. Seine Käswurst hatte er aufgegessen, ohne weiter auf den Geschmack zu achten. Was für eine Verschwendung! Jetzt hatte er Durst. Ein würziger, aufreizender Geruch drang ihm in die Nase. Er stand vor einer Bude, an der Glühwein verkauft wurde. Mittlerweile war ihm ziemlich kalt. Ein Glühwein wäre jetzt genau das Richtige. Wanner merkte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. O nein, nur kein Fehltritt jetzt! Er hatte einen neuen Fall
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