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Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme

Titel: Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme
Autoren: Harald Martenstein
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Vorwort
    Weil dieses Buch nach den Berlinwahlen und vor den Bundestagswahlen erscheint, gebe ich eine Wahlempfehlung. Damit Sie sehen, woran Sie mit mir sind, politisch. Aber zuerst etwas anderes. Wissen Sie, ich bin, als Kolumnist, das Gleiche wie ein Fernfahrer, der Zitronen von Palermo nach Wolfsburg transportiert.
    Ich setze mich in meinen Truck, ich lege Bad Moon Rising von Creedence Clearwater Revival ein. Ich starte den Motor. Dies schreibe ich, weil eine Leserin mich fragte, ob ich noch Spaß an der Kolumne hätte. Darum geht es nicht, meine Dame.
    In manchen Wochen macht es Spaß, in anderen keinen. Das war immer so, von Anfang an. It’s a job, ya know .
    Manche sind Zirkusdompteure. Andere sind Stripteasetänzerinnen. Ich bin eben der Kolumnenfuzzi, und es kann nicht alle Tage Sonntag sein.
    Die Zitronen müssen nach Wolfsburg.
    Das Gute ist, dass ich mir die Frage, ob ich Lust dazu habe, überhaupt nicht stellen muss. Denn genau dies, meine Dame, ist die Geißel des modernen Lebens, diese dauernd sich selbst stellende Frage: Was will ich? Wozu habe ich Lust? Das überfordert mich. Etwa zehn Jahre meines Lebens habe ich an der Frage herumgedoktert, was ich beruflich machen möchte. Arzt, Anwalt, Karikaturist, Schauspieler, es gab so viele Möglichkeiten damals, und ich war mir sicher, dass ich mehrere Talente besitze. Zumindest drei oder vier. Zum Glück hat sich das endlich erledigt.
    Wie will ich wohnen, auf dem Land, in der Stadt, gegebenenfalls in welcher Stadt, in einer Wohnung, in einem Haus? Mit wem will ich mein Leben verbringen, will ich Familie, will ich Single sein, will ich ein Haustier? Mag ich Gartenarbeit? Gehe ich mit voller Power auf den Karrieretrip, oder entscheide ich mich für weniger Geld und für mehr Freizeit? Es hat alles sein Pro und sein Contra. Wie Sie wissen, hinterlässt jede Entscheidung, vor allem wenn sie schwer widerruflich ist, ein mulmiges Gefühl. Es ist nicht immer schön, die Wahl zu haben, zumindest nicht nur schön. Wenn der Zufall für mich die Entscheidungen trifft, dann umso besser.
    Ich weiß, was Sie jetzt sagen, Sie sagen: ein Luxusproblem. Soundso viele arme Menschen haben überhaupt keine Wahl, die Dritte Welt, die Frauen in Iran und so weiter und so fort.
    Nun, jeder hat eben die Probleme, die er hat, verstehen Sie? Wenn Sie einen Bandscheibenvorfall haben – nun gut, andere haben Krebs. Ein Bandscheibenvorfall wird dadurch nicht zu einer angenehmen Sache.
    Es ist aber in Wirklichkeit noch viel schlimmer. Einerseits ist da das, was man will oder, nach längerem innerem Kampf, glaubt zu wollen. Aber will man es wirklich? Wollte ich wirklich, ich meine: wirklich, also wirklich, wirklich, wirklich Autor werden? Oder war ich nur zu feige oder zu faul für etwas anderes? Rede ich es mir nun ein, dass ich es wollte?
    Herr K. glaubt, dass er Teilhaber in der Kanzlei Spitz, Stumpf und Söhne werden will, besser gesagt, er würde es aus Bequemlichkeit gerne wollen, denn das, was er wirklich will, ist, seine Frau zu verlassen, in die Südsee auszuwandern, eine Strandbar zu eröffnen und unter dem tropischen Himmel Hula Hula zu tanzen. 
    Gleich wird Margit wieder anrufen und fragen, wo die Kolumne bleibt. Die Zitronen müssen nach Wolfsburg.
    Nun aber schnell die Wahlempfehlung. Vergessen Sie alles, was Sie in der Vergangenheit gewählt haben, vergessen Sie Ihr Milieu und Ihre Freunde. Machen Sie den Kopf leer. Gehen Sie, alleine, zum Wahllokal. Und dann wählen Sie das, was Sie wirklich wollen. Wirklich, wirklich. Wenn Sie es aber nicht wissen, dann gehen Sie einfach unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Irgendein Ergebnis wird schon zustande kommen.

Über Altersvorsorge
    Diese Kolumne wendet sich speziell an jüngere Leser. Was ist die beste Altersvorsorge? Diese Frage geht jeden jungen Menschen an. Ich bin der Einzige, der euch diese Frage wirklich ehrlich beantwortet.
    Als ich selber jung war, schrieben die Zeitungen das Gleiche wie heute, die Politiker sagten auch schon das Gleiche: »Man muss vorsorgen! Die staatliche Rente reicht nicht!« Ich schloss also eine Zusatzversicherung ab. Jeden Monat floss Geld in die Versicherung. Ich habe getan, was die Politiker verlangten. Ich dachte: »Wenn ich gaga werde und nicht mehr schreiben kann – kein Problem.« In jedem Jahr schickte die Versicherung einen Brief, in dem stand, wie viel Geld ich eines Tages bekommen würde. Das war ein total schöner Brief jedes Jahr.
    Auf einer Party traf ich unlängst einen
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