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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dazu, unverdrossen den Erfordernissen eines standesgemäßen Lebens zu erliegen.
    Huldrich war der Typ des modernen Playboys. Er trug Kleidung aus feinstem Leder, bis zum Nabel aufgeknöpfte Hemden, goldene Armreife und Halsketten, beherrschte die neuesten Tänze, hatte geweint, als Louis Armstrong gestorben war, hatte aber noch nie einen Gedanken an Mozarts unbekanntes Armengrab verschwendet, konnte jeden Drink im Schlaf mixen und verstand es, mit seiner Fahrweise innerhalb von zwei Jahren aus jedem rassigen Sportwagen ein müdes Gefährt für Rentner zu machen. Geistige Qualitäten betrachtete er als Luxus für ›Eierköpfe‹, über die man sich lustig machte. Von der Landwirtschaft verstand er soviel, daß aus saurer Milch Käse entsteht, und den Schweinestall betrat er nur, um eine Sau zum Verkauf auszuwählen und sich dadurch für einige Tage neuen Auftrieb für sein Barleben zu verschaffen.
    Der Brief Johnny Millers schlug bei ihm wie eine Bombe ein – aber nicht wie eine Bombe der Zerstörung, sondern der Sanierung. Huldrichs Herz machte einen Hüpfer, sein Gehirn schlug einen Salto.
    Onkel Johnny aus Amerika! Das bedeutete Geld! Blanke, harte Dollars auf den alten Eichentisch derer von Chowelitz! Rettung vor dem Ruin! Bewahrung vor dem Ersaufen! Der Strohhalm, an den sich Verlorene klammern …
    Huldrich rieb sich die Hände. Seine Freude war ehrlich und überschäumend. Im Taumel seines Glücks eilte er ans Telefon und rief die Baroneß von Eibenhain an.
    »Evy«, sprudelte er hervor, »was glaubst du, was passiert ist? Das ahnst du nicht. Rate mal.«
    »Was denn?«
    »Wir heiraten.«
    Das kannte die gute Evy. Damit lag er ihr dauernd in den Ohren.
    »Nein, Huldrich!«
    »Das sagst du, wie immer, weil du dich nicht ruinieren willst.«
    »Ja.«
    »Du wirst dich aber damit nicht ruinieren, keinesfalls! Ganz im Gegenteil!«
    Evy seufzte.
    »Huldrich«, sagte sie, »du hältst mich von der Arbeit ab, ich sticke gerade ein Deckchen für Tante Eugénie, weißt du –«
    »Johnny Miller kommt«, unterbrach er sie.
    Das erinnerte sie natürlich an Whisky.
    »Hast du getrunken, Huldrich?«
    »Nein.«
    »Welcher Johnny soll kommen?«
    »Johnny Miller – Johnny Miller aus Chicago.«
    Evy schwieg.
    »Habe ich dir von dem nie erzählt?« fragte Huldrich.
    »Nie.«
    »Johnny bedeutet auf deutsch Johann, und Miller bedeutet Müller!«
    »So?«
    »Klingelt es da nicht bei dir?«
    »Nein.«
    »Ich habe dir doch gesagt, daß meine Mutter eine bürgerliche Inge Müller war.«
    »Das hast du mir zwar nie gesagt«, antwortete Evy ironisch, »aber ich weiß es.«
    »Johnny Miller – beziehungsweise Johann Müller – ein Bruder von ihr.«
    »Was?« stieß Evy hervor.
    »Ja«, sagte Huldrich, »ich spreche die ganze Zeit schon von meinem Onkel, verstehst du mich nun?«
    »Der ist mir allerdings neu«, spöttelte Evy. »Ich hielt dich immer für onkellos.«
    »Er ist in seiner Jugend ausgewandert.«
    »Und jetzt will er dich, wenn ich das richtig sehe, besuchen?«
    »Ja«, entgegnete Huldrich und legte los: »Sein Brief kam heute, soeben. Die Nachricht hat mich fast umgeworfen. Lache nicht, ich bin heute morgen schon einem Schornsteinfeger begegnet. Das bedeutet, wie du weißt, Glück. Deshalb bin ich auch davon überzeugt, daß dieser Mensch in Amerika Karriere gemacht hat. Wenn nicht, würde er sich hier nicht mehr blicken lassen, das ist doch klar. Für solche Leute bedeutet eine Million gar nichts. Leider kann ich ihn nicht adoptieren, dazu müßte umgekehrt er mein Neffe und ich sein Onkel sein. Dann wäre alles ganz einfach. Das wird doch heute laufend gemacht, aus finanziellen Gründen. Aber ich werde ihn mir auch so zurechtbiegen. Schließlich stellt es für einen einfachen Mann aus dem Volk auch heute noch eine Ehre dar, wenn ihm – wie soll ich sagen? – ein Adeliger die Hand reicht. Du verstehst mich, meine liebe Evy, von unserer Warte aus, nicht wahr? Gerade in Amerika ist man dafür besonders empfänglich. Sicher hat er davon etwas mitbekommen in den Jahrzehnten, in denen er drüben war. Wenn nicht, soll ihn der Teufel holen. Aber ich bin da ganz zuversichtlich. Vielleicht sollte es nötig werden, daß auch du dich noch ein bißchen einschaltest, du weißt schon wie. Mit den berühmten Waffen einer Frau. Jetzt muß ich aber Schluß machen. Was glaubst du, was ich hier gerade jetzt noch alles sofort in die Wege leiten muß. Onkel Johnny soll doch von den Socken sein, wenn er erscheint auf Waldfels. Mach's gut,
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