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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Evy. Küßchen von mir. Von dir auch, bitte. Ganz lieb – danke! Bye, bye!«
    An diesem Tage ging Huldrich von Chowelitz zum erstenmal durch alle Räume und Ställe seines Gutes mit prüfenden Augen. Er sah die bröckelnden Wände, die verwahrlosten Scheunen, all die Anzeichen des Zerfalls auf seinem Ahnensitz. Und er bestellte Handwerker, die das Gut in wenigen Wochen wieder in Schwung bringen und ihm Glanz verleihen sollten.
    »Das ist das Ende!« schrie der Verwalter, jeden Respekt außer acht lassend, und warf die Rechnungsbücher hin. »Fünfzigtausend Mark Reparaturkosten! Zwanzigtausend Mark für neues Vieh! Dreiundvierzigtausend Mark für eine Scheune, die wir gar nicht brauchen! Sind Sie denn ganz von Sinnen, Herr Baron? Das ist wirklich das Ende, der absolute Ruin! Wer soll das bezahlen?«
    »Der Onkel aus Amerika!« lachte Huldrich. »Bald kommt er. Ein Millionär, mein Bester. Erbonkel! Machen Sie alle Tore auf, wenn es draußen hupt. Unser Blutspender will dann einfahren.«
    Johnny Miller ahnte nichts von seinem Glück auf Waldfels, als er in Hamburg von Bord des Schiffes ging, auf dem er die Reise über den Ozean angetreten hatte. Aufs Flugzeug hatte er verzichtet, es eilte ihm ja nicht. Außerdem bot ihm das Schiff die Möglichkeit, seinen eigenen schweren Wagen, an den er gewöhnt war, mitzubringen. Daß dieser Transport allerhand kostete, spielte keine Rolle. Johnny Miller hätte sich noch ganz andere Eskapaden leisten können. Das wußten auch die Stewards auf dem Schiff, die um ihn weit mehr herumsprangen als um einen abgehalfterten Balkankönig im Exil, der ein paar Kabinen neben der von Miller die gleiche Reise unternahm.
    Den Wagen ließ Miller in Hamburg in einer Großgarage stehen. Da er, wie gesagt, Zeit hatte, bummelte er erst einmal drei Tage durch die Stadt, fuhr abends natürlich auch nach St. Pauli, war davon enttäuscht und sah ein, daß er für so etwas wohl schon zu alt war. Am eindrucksvollsten fand er eine Schlägerei auf offener Straße zwischen drei amerikanischen Soldaten, die sich um eine Farbige prügelten, genauer gesagt: um die Reihenfolge bei ihr. Dazu hätte ich aber nicht hierherkommen müssen, dachte Johnny Miller, das wird einem nicht weniger echt in Chicago geboten.
    Am vierten Tag bestieg er einen Zug, der ihn von der Küste ins Innere Deutschlands brachte. Das Wetter war gut, die Sonne schien. Die Mitreisenden – es gab nur wenige, die Waggons waren fast leer – lasen Zeitung oder schliefen, die Köpfe an die Wand gelehnt. Anders Johnny Miller. Er saß am Fenster und konnte die Augen nicht lassen von den Bildern, die an ihm vorüberzogen. Old Germany, das alte Deutschland, fing nun erst richtig an, sich ihm wieder zu erschließen. Die weiten, saftigen Wiesen, auf denen Kühe weideten, die sauberen Dörfer, die sich um ihre Kirchen gruppierten, die Wälder, die Flüsse, das ganze Land nahm einen Mann, der zurückgekehrt war, in Empfang und zog ihn an sich. Das Herz wurde ihm weit. Der trunkene Blick Johnny Millers übersah die dürren Äste, die von kranken oder schon toten Bäumen in den Himmel gereckt wurden; ihm entging auch, daß nur noch wenige Fische im Wasser der Flüsse ums Überleben kämpften.
    Das Ziel war Rheinstadt. Die Kunstschmiede Paul Müller.
    Der Onkel aus Amerika las den Bericht durch, den ihm die von ihm beauftragte Auskunftei geschickt hatte: ›Ehrlich, fleißig, in geordneten Verhältnissen. Ein geachteter Mann. Verheiratet, zwei Söhne.‹
    Alles in Ordnung, dachte Johnny Miller. Für wen werden die Söhne heute schwärmen? Für Karl-Heinz Rummenigge? Von dem waren die Zeitungen voll, die es in Hamburg zu kaufen gab …
    Erna Müller hatte an diesem Tag einen mächtigen Truthahn gebraten. Truthahn sei das amerikanische Nationalgericht, hatte sie in Erfahrung gebracht. Mit Truthahn komme man bei einem Amerikaner immer gut an.
    Dazu stand auf dem Speiseplan: Mais, Preiselbeeren, eine Fülle nach amerikanischem Rezept, Salate, normale deutsche Salzkartoffeln. (Die süßen Kartoffeln, mit denen Erna den amerikanischen Geschmack hätte treffen können, waren nirgends aufzutreiben gewesen.)
    Das Telegramm mit der genauen Ankunftszeit Onkel Johanns lag im Büro. Die Aufgabe, ihn am Bahnhof abzuholen, traf natürlich Paul, den Familienvorstand. Erna betrachtete sich als unabkömmlich. Sie wollte ihre Küche, in der es brutzelte und verführerisch roch, keinen Augenblick unbeaufsichtigt lassen.
    Daß der Onkel mit dem Zug ankam, war für die beiden
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