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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihn – ich weiß auch, wo«, erwiderte er und strahlte.
    »Am Hut«, nickte sie. »Aber nur an einem passenden. Leider ist der, den ich im Koffer habe, zu klein für Sie, John. Aber ein Mann wie Sie wird nicht daran scheitern, sich einen zu besorgen – wenn Sie gewillt sind, den Gamsbart in Amerika vorzuführen«, fügte sie vergnügt hinzu.
    John nahm das exotische Stück in die Hand, betrachtete es begeistert, lachte Nancy an und sagte: »Den passenden Hut aus Bayern habe ich spätestens in drei Tagen!«
    »Er wird Sie kleiden, John.«
    »Ich werde Ihnen Gelegenheit geben, das selbst zu beurteilen, Nancy. Für wen war denn das schöne Stück gedacht?«
    »Für einen Jungen aus meiner Verwandtschaft, den ich noch nie gesehen habe. Ich werde ihm einen aus Deutschland schicken. Vorläufig muß er sich mit dem Hut allein begnügen.«
    »Er wird mich verwünschen.«
    »Freut Sie mein Geschenk, John?«
    »Riesig!«
    Nach dem Frühstück schlug John einen Morgenspaziergang auf dem weiten Oberdeck vor. Leider müsse sie ablehnen, meinte aber Nancy, da sie noch nicht gepackt habe. John seufzte und versuchte gar nicht weiter in Nancy zu dringen, da er wußte, daß Frauen, die die Aufgabe vor sich sehen, packen zu müssen, zu nichts anderem mehr zu gebrauchen sind.
    Erst beim Mittagessen sahen sich die beiden wieder. Die Zeit raste nun. John fragte Nancy, ob sie in New York von jemandem erwartet werde. Sie verneinte. Er auch nicht, sagte er und brachte eine Tasse Kaffee ins Gespräch, die man an Land noch zusammen trinken könne. Nancy nickte zustimmend.
    Die Sirenen heulten.
    Brackiges Waser quoll schäumend auf. Hunderte von Fähnchen wurden in der Luft geschwenkt. Der Hafen war ein Riesenameisenhaufen. Auf den Quais stauten sich die Menschen.
    Am Ausgang des Schiffes standen John Miller und Nancy Moosrainer, deren Puls rascher schlug nach so langer Zeit, in der sie das Land ihrer Geburt nicht mehr gesehen hatte. John schaute über die Menge. Es war nicht zu erwarten, daß er hier Bekannte entdeckte, aber dieses Gewimmel von Menschen schlug ihn in seinen Bann.
    Es war die Begrüßung durch einen Erdteil, der nur Arbeit kannte, die Jagd nach dem Dollar, dem Wertmaß für alles.
    Ein Mann fiel ihm in der Menge auf, der mit seinem karierten Hut zum Schiff herüberwinkte. Er benahm sich sehr aufgeregt, bekam mit einem Arbeiter Krach, weil er ihn fast ins Wasser gestoßen hatte, rannte dann weiter und schien etwas zu suchen. Johns Augen waren nicht mehr gut genug, um auf diese Entfernung den Mann zu erkennen, der ihm im Grunde auch völlig egal war. John amüsierte sich nur über das Gefuchtel der Arme beim Zusammenstoß mit dem Arbeiter.
    Das Schiff legte an. Die Offiziere, die Stewards grüßten. Die Passagiere gingen von Bord.
    Auch John Miller stelzte das Fallreep hinab, in seinem Kielwasser Nancy, und drängte sich in den Pulk der Gepäckträger. Doch plötzlich horchte er auf.
    Eine aufgeregte Stimme schrie durch den Lärm: »Onkel Johnny! Onkel Johnny!«
    Miller reckte sich, um über die Leute hinwegzusehen. Das war doch die Stimme des Barons Huldrich v. Chowelitz. Sollte der Bursche wirklich nach New York gekommen sein, um ihn abzuholen?
    Ein Mann in hellem Anzug drängte sich rücksichtslos durch die Menge. Und dann erstarrte Miller – der Mann trug einen auffallenden karierten Hut. Der Verrückte am Quai!
    Mit einem Freudenruf packte Huldrich die Hand seines Verwandten und schüttelte sie ihm fast aus dem Schultergelenk.
    »Wo kommst denn du her?« staunte Onkel Johnny. »Du scheinst dich ja wirklich zu freuen?« Im Umdrehen fuhr er fort: »Nancy, darf ich Ihnen meinen Neffen vorstellen, der –«
    Er brach ab. Nancy war verschwunden. John stellte sich auf die Zehen. Der Trubel war beängstigend.
    »Nancy!« rief Miller. »Nancy!«
    Es war aussichtslos. Überall wurde gerufen – Namen, Bedeutungen, Wörter in vielen Sprachen.
    Entscheidend war – aber das wußte John Miller nicht –, daß es in Nancys Absicht gelegen hatte, unterzutauchen. Die Gelegenheit dazu hatte ihr Huldrichs Begrüßung geboten. Je länger der Abschied von John werden würde, desto größere innere Schwierigkeiten würden ihr daraus erwachsen, hatte sie erkannt, Schwierigkeiten, von denen er nichts ahnen durfte. Für einen Mann wie ihn müßte es ja selbstverständlich sein, dachte Nancy, daß sich eine Frau nur von seinen Millionen angezogen fühlen würde. Nicht ich! dachte sie. Nicht ich! Ich werde ihn nie mehr sehen – damit basta! Und
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