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Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)

Titel: Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Prolog

    Herbst 2008
    Der letzte Morgen im Leben von Louis Fon begann wie ein sanftes Flüstern.
    Er rieb sich die Augen, richtete sich schlaftrunken von der Pritsche auf, tätschelte die Kleine, die ihm die Wange gestreichelt hatte, wischte ihr den Rotz von der Nase und steckte die Füße in die Flipflops auf dem gestampften Lehmboden.
    Blinzelnd reckte er sich. Der von der Sonne gewärmte Raum war erfüllt vom Gackern der Hühner und den entfernten Rufen der Jungs, die Bananenbüschel von den Stauden schnitten.
    Wie friedlich, dachte er und atmete tief den würzigen Geruch des Dorfes ein. Nur der Gesang der Baka-Pygmäen auf der anderen Seite des Flusses, wenn sie um das Feuer tanzten, konnte ihn mehr erfreuen. Wie immer war es ein gutes Gefühl, in das Dja-Reservat und nach Somolomo, das entlegene Dorf der Bantus, zurückzukehren.
    Hinter der Hütte rauften die Kinder miteinander und wirbelten rötlichen Staub auf, ihre schrillen Stimmen ließen einen Schwarm Webervögel von den Baumkronen aufsteigen.
    Louis ging zum Fenster, durch das die Sonnenstrahlen fielen, stützte die Ellbogen aufs Fensterbrett und lächelte der Mutter des Mädchens zu, die vor der gegenüberliegenden Hütte stand und einem Huhn den Kopf abhackte.
    Es war das letzte Lächeln im Leben des Louis Fon.
    Gute zweihundert Meter entfernt tauchte ein drahtiger Mann auf dem Weg am Palmenhain auf, und ein Gefühl von nahendem Unheil beschlich Louis. Mbomos sehnige Gestalt kannte eraus Jaunde, aber den hellhäutigen Mann mit dem schlohweißen Haar, der ihn begleitete, hatte er noch nie gesehen.
    »Was will Mbomo hier, und wen hat er da bei sich?«, rief er der Mutter des Mädchens zu.
    Die zuckte nur die Achseln. Am Rand des Dja-Reservats waren Touristen kein ungewöhnlicher Anblick, was also scherte es sie? Vier, fünf Tage mit den Baka im undurchdringlichen Dickicht des Regenwalds – darum ging es den meisten doch, oder? Jedenfalls den Europäern mit gut gefüllter Brieftasche.
    Aber Louis ahnte, dass etwas nicht stimmte. Das sah er an den ernsten Mienen der beiden Männer und an der Vertraulichkeit zwischen ihnen. Nein, dieser Weiße war kein Tourist, und Mbomo hatte ohne Vorankündigung in diesem Distrikt nichts zu suchen. Schließlich war er, Louis, der Leiter des dänischen Hilfsprojekts – Mbomo hingegen war nur ein Laufbursche für die Geschäftsleute in Jaunde. So waren die Spielregeln.
    Hatten die beiden dort unten am Weg etwas am Laufen? Auf die Idee konnte man ja leicht kommen. In letzter Zeit hatte es allerlei Schwierigkeiten rund um das Projekt gegeben: Die Vorgänge zogen sich zunehmend in die Länge, der Informationsfluss war ins Stocken geraten, die Zahlungen gingen zu spät ein oder blieben völlig aus. Das alles entsprach ganz und gar nicht dem, was man ihm versprochen hatte, als er für die Aufgabe angestellt worden war.
    Louis schüttelte den Kopf. Er selbst gehörte zu den Bantu, er stammte aus einer Region Kameruns, die Hunderte Kilometer nordwestlich von diesem Dorf hier lag. Dort oben, wo er herkam, wurde einem das Misstrauen allen und allem gegenüber in die Wiege gelegt, und das war letztlich vielleicht der Grund, weshalb Louis sich mit so viel Herzblut für die Baka, die Pygmäen des Dja-Reservats, engagierte. Diese sanften Menschen, die Wörter wie »Misstrauen« nicht kannten und deren Wurzeln bis tief in jene Zeit zurückreichten, als der Wald entstanden war, stellten für Louis die letzten Oasen wahrerMenschlichkeit in einer verfluchten Welt dar. Ja, die Verbundenheit mit den Baka und mit dieser Gegend im Grasland unten am Kongo war Louis’ Lebenselixier, sein Trost. Und dennoch schlich sich in diesem Moment das Misstrauen ein.
    Konnte man denn nirgendwo Frieden finden?
    Mbomos Geländewagen parkte hinter der dritten Hüttenreihe. Der Chauffeur im durchgeschwitzten Fußball-Shirt schlief hinterm Steuer.
    »Sucht Mbomo nach mir, Silou?«, fragte Louis den massigen Mann, als der sich schließlich reckte und zu überlegen schien, wo zum Teufel er war.
    Aber der schüttelte den Kopf. Offenbar hatte er keine Ahnung, wovon Louis redete.
    »Wer ist der Weiße, den Mbomo mitgebracht hat? Kennst du ihn?«
    Der Chauffeur gähnte.
    »Ist er Franzose?«
    »Nein«, antwortete der Mann achselzuckend. »Der spricht zwar ein bisschen Französisch, aber ich glaube, der kommt eher oben aus dem Norden.«
    »Okay.« Langsam wurde er nervös. »Könnte er Däne sein?«
    Der Chauffeur deutete mit dem Zeigefinger auf ihn.
    Bingo.
    Däne
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