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Das Gift der alten Heimat

Das Gift der alten Heimat

Titel: Das Gift der alten Heimat
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nicholson. »Dann hätte ich das von diesem Fluß auch gewußt.«
    Ein neues Clubmitglied tauchte in der Tür des Lesesaales auf – Gregory Ford.
    »Hallo, Jungs«, grüßte er und nahm am Tisch der vier Platz.
    »Hallo, Greg«, antworteten die anderen im Chor.
    »Verdammt heiß heute«, fuhr Greg fort.
    »Das kann man sagen«, bestätigte lächelnd Nicholson.
    »Dabei schneit's zur Zeit in Europa, habe ich gelesen.«
    »Gerade sprachen wir darüber«, sagte White, den anderen das Wort aus dem Mund nehmend.
    »Und vom Hochwasser des Rheins«, bemerkte Miller.
    Ein Stichwort schien für Gregory Ford gefallen zu sein, das ein überschwengliches Gefühl in ihm aufwallen ließ. Er verdrehte die Augen, blickte himmelwärts, schnalzte mit der Zunge und rief: »Ah, der Rhein – wonderful!«
    Das löste Überraschung aus.
    »Soll das heißen, daß du den kennst?« fragte Miller.
    »Ja.«
    »Aus Schulbüchern?«
    »Nein.«
    »Das hätte mich auch gewundert – woher dann?«
    Der Kellner trat an den Tisch, um Fords Bestellung entgegenzunehmen. Als die aufgegeben war, beantwortete Ford grinsend Millers Frage: »Ich wäre in ihm schon beinahe ertrunken.«
    »Was du nicht sagst!« stieß Miller hervor. »Ein Schiffsunglück?«
    »Nein«, erwiderte Ford mit verstärktem Grinsen, »ein Wein-Unglück. Ich war so blau, daß ich ins Wasser gefallen bin.«
    Allgemeines Gelächter.
    »Wieviel hattest du denn intus?« fragte dann Miller.
    »Ein paar Liter.«
    Nicholson mischte sich ein.
    »Weiß- oder Rotwein?«
    »Liebfrauenmilch.«
    »Was?«
    Ford grinste und grinste.
    »Liebfrauenmilch, außerdem noch ein schönes Quantum Nacktarsch.«
    »Was?« Nicholsons Erstaunen wuchs. »Sind das Weiß- oder Rotweinsorten?«
    »Hör dir das an!« rief in gepeinigtem Ton Johnny Miller alias Johann Müller, mit erhobenen Armen Gregory Ford anblickend.
    Nicholsons Bildungslücken wurden gefüllt. Ford hielt ein kleines Kolleg über Rhein- und Moselweine und stellte dabei imponierende Beschlagenheit unter Beweis, eine Beschlagenheit, mit der er besonders die Verwunderung Millers erregte, so daß ihn dieser schließlich fragte: »Woher hast du denn das alles?«
    Gregory Ford erzählte: Er war als Soldat im Zweiten Weltkrieg nach Europa gekommen, hatte die Invasion in der Normandie mitgemacht und kämpfend Frankreich durchquert, war bei einem Gegenstoß der Deutschen sogar kurzfristig in deren Gefangenschaft geraten, aus derselben aber von eigenen Fallschirmjägern wieder befreit worden. Die Kämpfe seines Regiments am Rhein waren besonders schwer gewesen, deshalb hatten damals in ihm für den Strom noch keine Sympathien entstehen können. Dann aber, nach dem Krieg, hatte sich das rasch geändert. Die Schönheit der Gegend, die Burgen, die romantischen Städtchen, die schmucken Dörfer, die lustigen Leute, besonders natürlich die Mädchen, der Wein, die Bratwürste – alles, alles hatte ihn in seinen Bann geschlagen!
    »Deshalb«, schloß Gregory Ford seine Erzählung, »bin ich auch Jahre später, als Zivilist, noch einmal hingefahren.«
    »Du bist hingefahren?« wunderte sich scheinbar Johnny Miller, der ihm ganz versunken zugehört hatte.
    »Ja«, nickte Ford. »Überrascht dich das? Du bist doch geborener Deutscher?«
    »Sogar Rheinländer.«
    »Dann wirst du mich verstehen. Wann warst denn du zum letzten mal drüben?«
    »Vor …« Miller zögerte. »Vor zweiunddreißig Jahren.«
    »Wann?« stieß Ford hervor. Verständnislosigkeit lag in seinem Gesicht.
    »Vor zweiunddreißig Jahren«, wiederholte Miller und setzte hinzu: »Als ich ausgewandert bin.«
    Ford verstummte. Er blickte Miller mit zweifelnden Augen an. Das könne er nicht glauben, sagte er schließlich.
    »Es ist aber so!« erklärte Miller. Seine Miene war dabei unbewegt, doch in seinem Inneren rumorte es. Anscheinend geriet da plötzlich etwas in Bewegung und wollte sich an die Oberfläche kämpfen, etwas, das lange – zu lange! – verschüttet gewesen war.
    Ford glaubte nun zu begreifen, irrte sich aber.
    »Du hast dort niemanden mehr«, sagte er.
    »Doch, ein paar Verwandte – wenn sie noch am Leben sind.«
    »Habt ihr euch nie geschrieben?«
    »Nein.«
    »Dann bist du damals im unguten von ihnen geschieden?«
    »Nein, auch nicht.«
    Eine letzte Möglichkeit fiel Ford ein.
    »Waren es politische Gründe für dich?«
    »Nein.«
    Ford gab auf.
    »Was dann?«
    Mit einem Schulterzucken antwortete Miller: »Ich wollte Millionär werden. Das schien mir in Deutschland nicht möglich.
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