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Das Gesicht der Anderen

Das Gesicht der Anderen

Titel: Das Gesicht der Anderen
Autoren: Beverly Barton
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sie ein Feuer machen, sich in einen Sessel kuscheln und hoffentlich für eine Weile vergessen, dass ihr Leben nie wieder so sein würde wie früher. Und falls der ätzende Tad auftauchte, um sie zu nerven, würde sie ihm direkt ins Gesicht sagen, dass sie keinen Wert auf seine Gesellschaft legt.
    “Warte doch mal”, hörte sie ihn rufen. “Ich soll auf dich aufpassen!”
    Ohne langsamer zu werden, rief sie nach hinten: “Ich brauche keinen Babysitter. Geh weg und lass mich in Ruhe!”
    “Tut mir leid, das geht nicht.”
    Etwas an der Art, wie er das gesagt hatte, machte sie unruhig. Sie blieb einen Moment stehen, dann sah sie kurz über die Schulter. Ihr Instinkt befahl ihr wegzurennen. Aber zurück zum Haus konnte sie nicht – da war ja Tad.
    Das war's, kleines Mädchen. Renn! Renn so schnell du kannst. Du bist ganz allein. Niemand, nicht mal du selbst, weiß, wie allein du bist. Wie verwundbar. Eine leichte Beute. Wo sind all die Dundee-Agenten, wenn man sie mal wirklich braucht? Sie sind alle im Haus und warten auf Instruktionen und lauschen dem Trara, das sie von oben hören. G. W.s Geschrei und Gezeter wird alle eine Zeit lang beschäftigen – jedenfalls lange genug, bis ich getan habe, was getan werden muss. Wie praktisch, dass alles sich im Moment um G. W. dreht und sich keiner um die liebe kleine Leslie Anne kümmert.
    Das war's, kleines Mädchen. Renn nur weiter. Ich bin dir auf den Fersen.
    Sie scheint zum Sommerhaus zu wollen. Gut so. Das ist nicht weit weg vom Fluss. Wenn ich sie nicht dazu überreden kann, ihren Morgenspaziergang bis zum Kliff auszudehnen, muss ich sie wohl leider dazu zwingen. Ich bin größer und stärker als sie, aber zur Not müsste ich sie auch bewusstlos schlagen und tragen. Es wäre doch mehr als dumm, diese herrliche Gelegenheit ungenutzt zu lassen! So schnell kommt so eine Chance nicht wieder. Ich werde die kleine Schlampe das Kliff hinunterstoßen. Und während alle nach ihr suchen, schleiche ich mich in ihr Zimmer und schreibe ihren Abschiedsbrief. Aber das Timing muss perfekt sein. Man darf mich auf keinen Fall entdecken. Andererseits gelte ich ja nicht als verdächtig. Denn ich liebe die kleine Leslie Anne doch. Seit dem Tag ihrer Geburt liebe ich sie.
    “Sie gottverdammter Lügner!”, schrie G. W. Dante an. “Hör nicht auf ihn, Tessa. Glaub ihm kein Wort! Dieser Mann ist verrückt. Raus hier!” Er starrte Dante drohend an. “Sie sind gefeuert! Sie alle!”
    “Daddy, würdest du dich bitte beruhigen?” Tessa fühlte sich hin- und hergerissen zwischen Dante und ihrem Vater. Sie hatte gehört, was Dante gesagt hatte, aber sie hatte diese Neuigkeit noch nicht verarbeitet. Sie wandte sich Dante zu. “Was meinst du damit, ich bin nicht Tessa Westbrook?”
    “Wehe, Sie sagen noch ein Wort, Moran”, polterte G. W. schon wieder los. “Gott helfe mir, ich bringe Sie um, wenn Sie diese elende Lüge noch einmal aussprechen!”
    “Es ist keine Lüge, und das wissen Sie”, erwiderte Dante ganz ruhig. “Das Mädchen, das Sie vor siebzehn Jahren im Krankenhaus von Richland Parish als Ihre Tochter identifiziert haben, war nicht Tessa Westbrook – und Sie wissen es. Es war Amy Smith, eine Siebzehnjährige aus Colby, Texas.”
    “Lüge, alles Lüge! Der Mann ist verrückt!” G. W. sprang auf Dante zu. In seinen Augen funkelte Mordlust.
    Tessa sprang dazwischen, legte ihrem Vater die Hände auf die Brust und hielt ihn zurück. “Sieh mich an, Daddy! Sieh mich an und sag mir, dass Dante sich irrt, dass er falschliegt.”
    G. W. atmete keuchend, dann sah er Tessa an. “Er hat sich in etwas verrannt. Er liegt vollkommen daneben. Du bist Tessa, meine Tessa. Annes kleines Mädchen. Ich habe dich schwer verletzt zu deiner Mutter zurückgebracht. Du hast noch gelebt. Deine Mutter wäre gestorben, wenn sie erfahren hätte, dass unser einziges Kind tot ist. Und sie hatte sowieso nicht mehr lang zu leben.”
    Die Wahrheit traf Tessa wie ein Hammerschlag ins Gesicht. Sie verspürte einen unendlichen Schmerz, ihr tat plötzlich alles weh. Sie sah ihrem Vater direkt in die Augen und fing an zu zittern und nach Luft zu schnappen. Oh Gott! Das war doch nicht wahr! Das konnte nicht sein! Sicher schlief sie noch und hatte nur einen Albtraum.
    “Daddy …” Ihre Stimme klang ihr selbst fremd.
    “Du gehörst zu mir. Du bist meine Tochter. Und Leslie Anne ist meine Enkelin.” G. W. deutete auf Dante. “Und nichts, absolut nichts, was dieser Mann sagt, kann daran etwas ändern.
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