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Das Gesicht der Anderen

Das Gesicht der Anderen

Titel: Das Gesicht der Anderen
Autoren: Beverly Barton
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Bitte glaub mir, Tessa. Ich liebe dich und Leslie Anne mehr als alles andere auf der Welt.”
    Sie sah, wie ihr Vater zusammenbrach. Er verschwand wie eine Sandburg in der Flut. Instinktiv schlang sie die Arme um ihn. “Schon gut, Daddy. Wir werden über alles reden. Und ich weiß, dass du mich und Leslie Anne liebst. Wir lieben dich auch, und das wird immer so bleiben. Das verspreche ich dir.”
    Tessa führte G. W. zu einem Ohrensessel, setzte ihn hinein und kniete sich vor ihn. Sie nahm seine Hände und bat: “Sag mir die Wahrheit. Ist das Mädchen, das in Richland Parish begraben liegt, Amy Smith oder Tessa Westbrook?”
    G. W. weinte. “Der Sheriff rief mich an und bat mich, eine Tote zu identifizieren, auf die die Beschreibung unserer vermissten Tochter passte. Ich hatte gehofft, sie würde es nicht sein. Denn den Tod unserer einzigen Tochter hätte Anne nicht verkraftet – ohne ihre Tochter hätte sie jeden Lebenswillen verloren.” G. W. hob den Kopf und sah Tessa mit tränenverschleiertem Blick an. “Das tote Mädchen war unsere Tochter.”
    Tessa hatte das Gefühl, als würde eine riesige Hand alles Leben aus ihr herausquetschen. Sie umklammerte G. W.s Finger und sah sich nach Dante um. Er kam auf sie zu, doch als sie den Kopf schüttelte, blieb er stehen. In ihrem Kopf drehte sich alles, und ein Gefühl der Benommenheit breitete sich in ihr aus.
Er ist nicht dein Vater
, erinnerte eine innere Stimme sie.
Denn du bist gar nicht Tessa Westbrook.
    “Bin ich Amy Smith?”, fragte sie G. W.
    Er schüttelte den Kopf. “Möglicherweise. Ich habe deinen echten Namen nie erfahren, aber Sheriff Wadkins hat mir von einem Mädchen aus Texas erzählt, das ebenfalls vermisst wurde. Sie hieß Amy Smith und war eine Vollwaise. Sie hatte keine Angehörigen, also sorgte ich dafür, dass alles geregelt wurde. Mit Geld für den Sheriff, seinen Deputy und den Gerichtsmediziner. Ich hoffte, dass zusammen mit meiner Tochter … auch die Wahrheit beerdigt werden würde.”
    Tessa blickte wieder zu Dante. Ihre Augen trafen sich. In diesem Moment wusste sie nicht, mit wem sie mehr Mitleid haben sollte – mit G. W. oder mit Dante. Sie war hin- und hergerissen zwischen den beiden Männern – dem Mann, der für sie ihr Vater war, und dem Mann, den sie liebte und den sie schon als Amy Smith geliebt hatte.
    Sie war vielleicht als Amy Smith geboren worden und hatte die ersten siebzehn Jahre ihres Lebens als Amy Smith gelebt. Aber inzwischen war sie eine andere. Sie war Tessa Westbrook. Sie erinnerte sich weder an Dante noch an ihr früheres Leben in Texas.
    Und daran würde sich auch nie mehr etwas ändern.
    Sie wandte sich ihrem Vater zu – G. W. war ihr Vater und würde es für immer bleiben – und wischte ihm sanft die Tränen ab. Sie sah ihn an und lächelte. “Daddy, ich liebe dich. Vielleicht war es falsch, was du getan hast, aber es geschah aus ehrenwerten Gründen.”
    “Ich schwöre dir …”, er schluckte, “… Anne war nicht die Einzige, an die ich in diesem Moment dachte. Ich glaubte, ich täte dem Waisenkind auch etwas Gutes damit. Du warst wie ein Gottesgeschenk für mich – für uns.”
    “Ja. Ich war dazu bestimmt, Mutter in den letzten schweren Jahren ihres Lebens beizustehen und ihr ein Enkelkind zu schenken.”
    G. W. nahm Tessas Gesicht in seine Hände und zog sie an sich, um sie zu küssen. “Du bist für mich wie meine leibliche Tochter. Und du weißt, dass Leslie Anne mein Ein und Alles ist.”
    Ein donnerndes Pochen an der Tür unterbrach ihn. Dann flog die Tür auf.
    “G. W., was ist los? Olivia hat mir gesagt, etwas Schreckliches sei passiert, und du würdest schreien wie ein wilder Stier!” Sharon stürmte ins Zimmer und schaute von einem der Anwesenden zum nächsten. “Was ist denn los? Ihr heult ja alle drei!” Sie starrte Dante überrascht an.
    “G. W., Schatz.” Olivia wollte zu ihrem Geliebten laufen, doch Sharon hielt sie fest.
    Nicht jetzt! Nicht jetzt!, wollte Tessa schreien. Und nicht vor Olivia!
    “Olivia, ich weiß deine Hilfe zu schätzen”, erklärte da Sharon. “Aber ich glaube, das hier geht nur die Familie etwas an. Würdest du uns also bitte allein lassen?”
    “G. W., möchtest du das auch?”, Olivia sah G. W. mitleidig an.
    “Ja”, entgegnete G. W. “Sharon hat recht. Das ist Familiensache.”
    Olivia warf beleidigt den Kopf in den Nacken und marschierte aus dem Zimmer, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Das übernahm Dante.
    Sharon starrte ihn an.
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