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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe
Autoren: Veronika Rusch
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ist doch längst wieder in Italien. Da hat es gar keinen Sinn, ihn zu laden. Er würde sowieso nicht kommen. Im Übrigen reichen die Indizien auch ohne ihn aus.«
    »Sie haben ihn nicht einmal geladen?« Clara wurde rot. Sie spürte, wie ihr die Hitze in den Kopf stieg, und sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Und wie gedenken Sie dann, über den Angeklagten urteilen zu können?«, fauchte sie erbost.
    Richter Obersteins Haltung wurde steif, während er sich langsam wieder zu Clara umdrehte. Sein arrogantes Lächeln war wie weggewischt: »Was maßen Sie sich an, Frau … Rechtsanwältin? Wollen Sie mir etwa sagen, wie ich meine Arbeit zu tun habe? Und übrigens: In meiner Geschäftsstelle ist es nicht gestattet, Kopien der Akten anzufertigen.«
    »Laut Strafprozessordnung …«, begann Clara wütend.
    »Wenn Ihnen das nicht passt, legen Sie Beschwerde ein. Bitte schriftlich und in dreifacher Ausfertigung. Wir sehen uns dann morgen.«
    Noch ehe Clara eine passende Erwiderung gefunden hatte, schlug der Richter die Tür hinter sich mit einem Knall zu.
    Clara atmete zweimal tief durch, dann drehte sie sich zu der Sekretärin um, die wie gebannt auf ihren Bildschirm starrte.
    »Ist der immer so?«
    »Fast immer.« Die Frau lächelte schief und deutete auf den Kaffee. »Danke.« Während sie umrührte, wanderte ihr Blick zu der Stelle, auf der die Kopien der Akte gelegen hatten. Clara blickte schuldbewusst auf ihre Aktentasche und umklammerte sie ein wenig fester.
    »Tut mir leid, dass Sie nicht kopieren durften«, meinte die Sekretärin schließlich mit einem verschwörerischen Blinzeln. »Ich wünsche Ihnen trotzdem viel Erfolg morgen.«
    »Danke.« Hastig wandte sich Clara zur Tür. »Sie werden ja erfahren, ob ich gefressen wurde.«
    »Da wären Sie nicht die Erste«, meinte die dicke Dame seufzend und widmete sich ihrem Kaffee.
     
    Clara starrte auf die Kopien vor sich. Hatte es etwas zu bedeuten, dass hier zwei Blätter fehlten, oder war es nur ein Zufall, ein Versehen? Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine steile Falte. Sie glaubte nicht an solche Zufälle: Dieser arrogante Richter hatte ihr nicht gestattet, von der Akte Kopien zu machen, die Einsicht in die Akte Massimo Moros war ihr verweigert worden, und ausgerechnet in dem Aussageprotokoll dieses Zeugen fehlten zwei Seiten. Clara hatte es zunächst übersehen, die Vernehmung schien vollständig zu sein. Zumindest hatte sie einen Anfang und ein Ende. Aber jetzt, während sie zurück in ihrer Kanzlei auf Malafonte wartete, hatte sie die Aussage nochmals gründlicher gelesen, und ihr war klar geworden, weshalb ihr die Aussage schon von Anfang an so merkwürdig vorgekommen war: Moro erzählte zunächst Belanglosigkeiten, nichts, was irgendwie von Interesse gewesen wäre, doch auf der nächsten Seite, plötzlich und ohne dass ein Grund hierfür erkennbar gewesen wäre, sprudelte es nur so aus ihm heraus. Und dazwischen fehlten zwei Seiten.
    Clara war sich sicher, auf diesen Seiten stand etwas, was nicht für die Augen von Verteidigern bestimmt war. Wahrscheinlich war Moro unter Druck gesetzt worden, oder man hatte ihm etwas versprochen. Clara schlug mit der flachen Hand so heftig auf die Tischkante, dass die Tasse mit dem schalen Rest Kaffee von heute Morgen einen Satz machte und Elise erschrocken den Kopf hob. »Und er hat diesen Zeugen einfach nicht geladen!«, brummte sie an ihren Hund gewandt und schüttelte den Kopf. »Es kann doch unmöglich sein, dass er eine Verurteilung nur auf dieses lückenhafte Protokoll stützt, oder?« Elise gab ein zweifelndes Bellen von sich. Sie seufzte. »Ja, ja. Du hast ja recht.« Clara ahnte, dass es genau so kommen würde. Und dass es wenig, sehr wenig gab, was sie dagegen unternehmen konnte. In dem Moment klopfte es. Angelo Malafonte stand vor der Tür. Clara strich sich ihre dichten, rotbraunen Locken, die wie immer in alle Richtungen abstanden, aus dem Gesicht und ging hinunter, um ihm zu öffnen.
    Als Clara den trostlosen Blick bemerkte, mit dem ihr Malafonte die zerknitterten Scheine für den Vorschuss reichte, wurde sie von einer plötzlichen Welle des Mitleids für den jungen Mann erfasst. Am liebsten hätte sie ihm das Geld wieder in die Hand gedrückt und ihn mit ein paar beruhigenden Worten nach Hause geschickt. Doch sie nahm das Geld und schwieg. Schließlich, nach einem Moment des inneren Kampfes, wie viel sie von dem, was ihn aller Wahrscheinlichkeit nach morgen erwarten würde, preisgeben
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