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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe
Autoren: Veronika Rusch
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Willi unter einer Dachschräge, und die zahlreichen Bücher, die jedes freie Stück der fensterlosen Wände um ihn herum bedeckten, verstärkten den höhlenartigen Eindruck seines Arbeitsplatzes, den er mit eigensinniger Hartnäckigkeit gegen jeden möglichen Eindringling verteidigte.
    Als Clara an diesem Morgen an der Kanzlei ankam, saß Willi in seiner Höhle und las im Schein einer altmodischen Messinglampe die Zeitung. Sie klopfte an die große Scheibe und signalisierte ihm und Linda, dass sie nebenan zu finden sei. Nebenan, das war Ritas Bar, Claras zweites Wohnzimmer, an dem sie morgens selten ohne Zwischenstopp vorbeikam. Und heute ganz besonders nicht. Willi hob kurz den Kopf, nickte flüchtig und widmete sich wieder seiner Lektüre. Linda winkte Clara strahlend zu und zeigte ihre ebenmäßigen weißen Zähne. Ihr glattes, blondes Haar glänzte auf eine Art, die Clara zu einem hastigen, ordnenden Griff in ihre eigenen widerborstigen Locken veranlasste, die in ihrem ganzen Leben noch nie so einen seidigen Schimmer besessen hatten. Sie begann, sich nach einer zweiten Zigarette zu sehnen.
    Das Café empfing sie mit dem Duft nach Kaffeebohnen und italienischer Musik. Dies und der schaumige Cappuccino, den Rita ihr zusammen mit einem Teller frischer Croissants und einem Lächeln hinstellte, sorgten endlich dafür, dass Dublin und Ian und Sean ein Stückchen im irischen Nebel verschwanden und Claras Gesichtszüge sich entspannten. Sie nahm eines der Croissants und hielt es Elise vor die erwartungsvoll geöffnete Schnauze.
    Die Dogge verschlang es mit einem einzigen Bissen. Ihr drängender Blick, unterstützt von einem heftig auf den Boden klopfenden Schwanz, nötigte Clara, ihr ein zweites zukommen zu lassen, das ebenso schnell verschwunden war wie das erste. Doch als ihr Elise danach nochmals ein aufforderndes »Wuff« entgegenbellte, schüttelte Clara den Kopf. »Bei dir piept’s wohl, du gefräßiges Monster. Jetzt bin ich dran.« Theatralisch ließ sich Elise auf den Boden fallen, legte den gewaltigen Kopf auf ihre Pfoten und seufzte schwer. Dann schloss sie die Augen und begann unvermittelt zu schnarchen. Clara warf ihr einen neidvollen Blick zu. Es gab Augenblicke, in denen hätte sie liebend gerne mit ihrem Hund getauscht. Und dann, gerade als sie in ihr Croissant biss, steckte Willi den Kopf zur Tür herein.
    »Clara, kannst du mal eben kommen? Ich hab da so einen Italiener sitzen. Er spricht so gut wie kein Deutsch.« Er hob hilflos die Arme.
    Clara warf einen Blick zu Rita, die hinter dem Tresen stand und jetzt interessiert aufblickte. Sicher war der neue Mandant auf Ritas Intervention hin zu ihnen gekommen. Weil Clara in ihren früheren Sturm- und Drangjahren auch einen Sommer in Apulien verbracht hatte, sprach sie noch leidlich gut Italienisch. Rita schickte ihnen deshalb recht häufig einen ihrer Landsleute, wenn sie der Ansicht war, dass dieser einen avvocato nötig hatte. Clara unterdrückte einen Seufzer, stopfte sich das restliche Croissant in den Mund und folgte Willi, ihre Tasse in der Hand. Elise hob nicht einmal den Kopf.
     
    Im Büro wartete ein junger Mann auf sie. Er hatte ein langes, trauriges Gesicht mit schweren Lidern und pechschwarzen Augen, die sie abwartend, fast furchtsam musterten. In den Händen hielt er einen zerknüllten Umschlag. Er reichte Clara eine große, schlaffe Hand: » Buon giorno , avvocato. Sono Malafonte. Angelo Malafonte .«
    Sie stellte ihre halbleere Cappuccinotasse auf Lindas Schreibtisch und ging mit ihm hinauf in das Besprechungszimmer. Er setzte sich so vorsichtig auf einen der Stühle, als fürchtete er, der Stuhl könnte unter ihm explodieren. Clara schaute ihn neugierig an.
    Was er wohl auf dem Herzen hatte? Doch der junge Mann schwieg. In sich zusammengesunken, als ob er keinen einzigen Knochen im Leib hätte, saß er vor ihr, den Blick auf die Tischplatte gesenkt.
    »Womit kann ich Ihnen helfen, Signor Malafonte?«, fragte Clara schließlich nach einer Weile auf Italienisch, als klar war, dass der junge Mann von sich aus nicht zu reden beginnen würde.
    Er hob den Kopf und sah sie an, und dann, unendlich zögernd, schob er den zerknitterten Umschlag, den er in den Händen gehalten hatte, über den Tisch. » Ecco avvocato, ho ricevuto questa lettera.«
    Clara zog einen dicken grauen Packen Blätter aus dem Kuvert. Unverkennbar das offizielle Schreiben eines Gerichts. Sie las die Seiten mit wachsendem Unbehagen. Es war eine Ladung zur Hauptverhandlung in
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