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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis
Autoren: Pearl S. Buck
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neuerdings einen anderen Namen. Old San oder Lao Three sind Namen, die für einen Bauernsohn genügen, aber nach dem Sieg von Long Sands hatte er das Kommando über andere Männer erhalten, und mit dem neuen Rang hatte ihm sein General einen neuen Namen gegeben. Dieser Name lautete Sheng, und Sheng wurde er von diesem Tag an genannt.
    Bis vor einem Augenblick hatte er gesessen und über ein Gartentischchen aus Porzellan hinweg mit der Frau gesprochen, die er liebte und die ihn nicht heiraten wollte. Richtiger würde man sagen, daß sie ihn zum Sprechen brachte; durch geschickte Fragen bewegte sie ihn dazu, zu erzählen, was er seit ihrer letzten Begegnung vor über zwei Monaten alles getrieben hatte. Dann verstummte sie und senkte das schöne Haupt, als ob sie über das, was er gesagt, nachdächte. Worüber sie in Wirklichkeit nachdachte, wußte er nicht. Er liebte sie aufrichtig, aber er gab nicht vor, ihre Gedanken zu kennen. Sie war keine gewöhnliche Frau, wenn es um Gedankenarbeit ging. Er konnte mit ihr reden, als wäre sie ein Soldat, und auch sie sprach so. Doch wenn sie schwieg, schien sie immer weit fort von ihm zu sein. Jetzt hob sie unversehens den Kopf, als ob sie seine Augen fühlte, und lächelte ein wenig.
    »Du siehst schön aus in der Uniform«, sprach sie. Ihr Lächeln verzerrte sich. »Aber wozu sage ich dir das? Du weißt es.«
    Er antwortete nicht darauf, denn er antwortete ihr nie, wenn ihre roten Lippen sich verzerrten.
    »Wie viele Schriftzeichen kannst du jetzt schreiben?« fragte sie.
    »Mir genügt es«, erwiderte er.
    »Weshalb hast du mir dann nie einen Brief geschrieben?«
    »Wozu sollte ich schreiben, wenn ich doch wußte, daß ich in einem oder höchstens zwei Monaten hierherkommen würde?«
    »Wenn du keinen Grund siehst, mir zu schreiben, dann ist kein Grund da«, sagte sie.
    Sie nahm ihre Teeschale in die Hand, und er blickte auf die lange, schmale Hand, deren Nägel rot bemalt waren. Er kannte den Duft ihrer Handfläche. Aber er näherte sich ihr nicht. Statt dessen steckte er seine Rechte in seinen neuen Uniformrock und zog ein Stück farbiger Seide hervor. Sie saß da und trank ihren Tee; ihre Lippen lächelten noch immer, und ihre großen dunklen Augen lächelten.
    »Hier ist die Flagge«, sagte er.
    »Du hast die Flagge noch immer?«
    »Du ließest sie mir zukommen«, versetzte er. »Du befahlst mich zu dir.«
    Tatsächlich hatte Mayli vor sechs Monaten Jade beim Abschied diese kleine Flagge gegeben und zu ihr gesprochen: »Sage ihm, ich gehe ins freie Land. Sag ihm, ich gehe nach Kunming.« Nach Kunming hatte er sich nach dem Sieg begeben. Aber als er dorthin gekommen war, hatte sie ihn nicht heiraten wollen. Sie war noch immer nicht willens, ihn zu heiraten, obwohl er sich schon seit Tagen hier aufhielt und sie jeden Tag aufgesucht hatte.
    »Warum bewahrst du die Flagge auf deiner Brust?« fragte sie ihn.
    »Damit du dich erinnern mögest, daß du mich auffordertest hierherzukommen«, versetzte er.
    Er beugte sich über das Prozellantischchen und blickte auf ihr emporgewandtes Antlitz nieder. Hinter seinem Kopf, über den Mauern des Hofes, konnte sie die hohen Gipfel der Berge sehen, welche die Stadt umgaben, nackte Berge, rot gegen den klaren Winterhimmel. Der Tag war nicht kalt. Hier herrschte selten Kälte, und in einem anderen Klima hätte es Frühling sein können. Das Licht der Sonne fiel auf ihr und auf sein Gesicht, und jeder sah des andern Schönheit, die Feinheit der Haut, die goldene zarte Haut ihres Volkes, und das Dunkel und das Weiß der Augen.
    »Ich frage dich abermals, ob du mich heiraten willst«, sagte er. »Gestern habe ich dich gefragt, und heute frage ich dich.«
    Ihre Lider sanken. »Du bist neuerdings sehr keck geworden«, gab sie zurück. »Als du zum erstenmal herkamst, hättest du nicht daran gedacht, mich selber zu fragen. Weißt du noch, wie du jemand fandest, der eine Freundin von mir kannte, und wie du mir dann durch die beiden einen Heiratsantrag machtest?«
    »Ich habe jetzt nur wenig Zeit. Ein Soldat muß geradewegs auf sein Ziel zugehen. Ich frage dich dieses: Willst du mich heiraten, bevor ich in die nächste Schlacht ziehe?«
    Sie hob die Augenlider wieder, und was er gefürchtet, erkannte er vor allem aus – ihrem Gelächter. »Fragst du mich heute zum letztenmal?« Sie warf ihm die Worte spielerisch hin, wie ein Kätzchen einen Ball vorwärts stößt.
    »Nein«, entgegnete er. »Ich werde dich fragen, bis du nachgibst.«
    »Warte
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