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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis
Autoren: Pearl S. Buck
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das nicht?« gab Sheng zurück. »Sie drangen ein und brandschatzten und plünderten und mordeten, wo sie nur konnten. Ich kämpfte dort zusammen mit den Berg-Männern, und wir töteten die Gegner handvollweise, und dann zog ich fort, weil eine Handvoll ab und zu meinem Durst nach ihrem Blut nicht genügte. Ich werde durstig sein, bis ich sie zu Hunderten und zu Tausenden töten kann. So zog ich fort, und ich habe monatelang gelernt, bis zur Schlacht von Long Sands.«
    »Das erklärt mir, wieso Ihr so gut gelernt habt«, erwiderte der General.
    Nachdem er rasch Namen und Wohnort Ling Tans aufgeschrieben hatte, legte er den Pinsel nieder, umfaßte die Armlehnen seines Stuhles mit den Händen und richtete die Augen auf Shengs Gesicht.
    »Es ist gegen meinen Willen, diese beiden Divisionen nach Burma zu senden«, sprach er. »Ich habe dem Allerhöchsten meine Bedenken auseinandergesetzt. Ich habe ihm gesagt, daß wir nicht auf Boden kämpfen sollten, der nicht unser eigen ist, und zwar aus zweierlei Gründen. Erstens ist das Volk von Burma nicht für uns. Es wird uns nicht bewillkommnen, wenn es erfährt, daß wir jenen helfen wollen, die es beherrschen. Die Leute dort lieben die Ying-Menschen nicht, die ihre Herrscher gewesen sind, und wenn wir erscheinen, um den Ying-Menschen zu helfen, werden sie uns ebenfalls hassen. Zweitens verachten die Ying-Menschen alle, die nicht ihre eigene blasse Hautfarbe haben, und auch wenn wir hinkommen, um ihnen zu helfen, werden sie uns nicht als wahre Verbündete behandeln. Sie werden uns als ihre Diener ansehen, sich selbst aber als die Herren, und sollen wir das auf uns nehmen, wenn wir ihnen zum Erfolg verhelfen?«
    »Was sagte der Allerhöchste, als Ihr alle diese wahren Dinge vorbrachtet?« fragte Sheng.
    Der General beugte sich vor. »Er sagte, die Männer von Ying müßten wissen, wie gering ihre Möglichkeiten sind, um ihre Herrschaft in Burma aufrechtzuerhalten, und sie würden uns dankbar sein. Er sagte, daß sie sich uns gegenüber höflich zeigen werden, weil sie unsere Hilfe brauchen, und wir würden Seite an Seite mit ihnen kämpfen und zum Schluß einen großen Sieg über den Feind erringen.«
    »Ist der Allerhöchste so sicher, daß wir siegen können?«
    »Schickt er nicht unsere besten Divisionen? Ihr alle seid im Saft und jung und stark.« Der General seufzte, und es war wie ein Stöhnen. »So sprach er, obwohl Hongkong dem Gegner in die Hände gefallen ist und alle wissen, daß die Ying-Menschen diese große Stadt dem Feinde wie ein Festtagsgeschenk gegeben haben. Ich sage, die Ying-Menschen sind verurteilt, und wenn wir mit ihnen gehen, sind auch wir verurteilt. Mein ganzes Leben lang habe ich gewußt, auf welchem Weg vor mir das Verhängnis lauert, und auch jetzt weiß ich es. Wir sollten auf unserer eigenen Erde bleiben und nur in unserem eigenen Land kämpfen. Die Männer von Ying – haben wir Ursache anzunehmen, daß sie ihre Herzen uns gegenüber plötzlich ändern werden? Haben sie uns nicht stets geringgeschätzt?«
    Der General verstummte und saß eine Weile wie ein Steinbild da. Aber Sheng sah, daß die Adern unter seinen Ohren und an seinen Schläfen zu schwellen begannen und daß seine geballten Hände, die wie zwei Hämmer vor ihm auf dem Tisch lagen, an den Knöcheln weiß wurden. Er hob seine Augen nicht zu Shengs Gesicht, so daß Sheng nicht wahrnehmen konnte, was darin war. Aber dann begann der General mit leiser, belegter Stimme zu sprechen, als ob ihn am Hals etwas würgte.
    »Die Ying-Menschen haben uns auf unserem eigenen Boden wie Hunde behandelt! Sie haben den großen Herrn gespielt, seit sie jenen Krieg gewonnen haben – Opiumkrieg nennen sie ihn, aber es war ein Eroberungskrieg. Ihre Schlachtschiffe haben unsere Flüsse befahren, und ihre Soldaten sind in unseren Straßen aufmarschiert. Sie nahmen uns Land fort, das sie als ihr eigenes erklärten. Sie weigerten sich, unseren Gesetzen zu gehorchen, und hier in unserem Land stellten sie für sich ihre eigenen Gesetze auf, errichteten ihre eigenen Gerichtshöfe und setzten ihre eigenen Richter ein; und wenn einer von ihnen uns bestahl, und selbst wenn einer von ihnen einen der Unseren tötete, gab es keine Gerechtigkeit. Ihre Priester haben keine Steuern bezahlt. Steuerfrei sind sie gegangen, wohin sie wollten, um ihre Religion zu predigen, die nicht die unsrige ist. Sie haben die Herzen unserer Jungen von den Alten abgewendet. Sie haben sich in unsere Zollhäuser gesetzt und unsere Zölle
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