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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land
Autoren: Einar Kárason
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unbestimmbarem Alter schnarchte auf einem altmodischen Sofa im Wohnzimmer. Als er mich bemerkte, setzte er sich auf und schmatzte eine Weile vor sich hin, rieb sich die Augen und knöpfte sein Flanellhemd zu. Es war dunkel da drinnen; nur ein Bruchteil der Sonnenstrahlen schaffte es durch die schlammbraunen Stores. Ich versuchte, fröhlich und natürlich zu wirken und dem Mann zu erklären, wer ich war, aber er schien kein Interesse daran zu haben, irgendet-was zu erfahren.
    An den Wänden war nichts außer einem Bild vom Geysir im Haukadalur, in einem Trauerrahmen.
    Schimmelgeruch in der Küche. Der Mann holte sich eine Bierflasche aus einem kleinen, wackligen Kühlschrank und öffnete sie sehr fachmännisch an der Tischkante. Das erfüllte mich mit einiger Achtung für ihn. Dann trippelte er ins Wohnzimmer, zog die Vorhänge zurück und setzte sich. Er trank das Bier und schien wieder ganz zu sich zu kommen. Fragte mich irgendwas, nicht unfreundlich. Er schien so zwischen vierzig und fünfzig zu sein, hager und mit schütterem Haar. – Mormor, verstand ich, – din mormor er på arbejde, deine Oma
ist auf der Arbeit. – Ja? – Ja. Dann schwiegen wir, er begann, sich seine Schuhe anzuziehen, und fragte irgendwas dabei, ich stimmte zu, ja ja, aber er fragte weiter, bis ich die Wörter komme med aus seiner Rede heraushörte. – Ich? – Ja, kom med.
    Wir waren nicht gerade wie Vater und Sohn. Er lief mit langen Schritten den Bürgersteig entlang, und ich an seiner Seite. Ich rannte beinahe vor lauter Nervosität. – Bist du Rasmus, schaffte ich zu fragen. – Ja, sagte er.
    Er fragte mich nicht nach meinem Namen.
    Eine schwere, knarrende Tür öffnete sich langsam in ihrer in den Boden eingeschliffenen Spur, und wir standen in einer dunklen Gaststätte. Ein Tresen und eine Million Flaschen. Der Geruch wie in einem Bierfass. Ich war noch nie an einem so sündenbesudelten Ort gewesen und bekam es langsam mit der Angst zu tun. Aber dann hörte ich zu meiner Erleichterung das fröhliche, schrille Lachen meiner Oma.
    Dann erhellte sich der Anblick. Meine Oma kam heraus, leise irgendwelche Schlager vor sich hinsingend, die damals in der Luft lagen; erschien mit lautem Rascheln und küsste meinen Begleiter auf den Kopf. – Rasmus min skat! Sie trug eine geblümte Bluse und einen Strohrock. Dann sah sie mich, umarmte mich, dass es mir den Atem vor Parfümgestank verschlug und sagte: – Willkommen in der Hawaii-Bar!
    Dort war sie Serviererin, meine eigene Oma. Im Strohrock. In einer der billigsten Kneipen der Stadt. Zwei solche einhändigen Banditen, Spielautomaten mit Hebel und sich drehenden Scheiben, waren dort an der einen Wand, und immer die gleichen alten Weiber in ihren Mänteln spielten daran, spielten von morgens bis abends schweigend an diesen idiotischen Automaten. Dann waren noch die Penner und die Witwer aus dem Viertel da, tranken Hofbräu am Tresen, und Oma flirtete mit ihnen. Natürlich eine hervorragende Arbeitskraft! Dieser
Rasmus, eine hirngeschädigte Jammergestalt, saß den ganzen Tag an einem Tisch, legte Karten und besoff sich mit ihrem Geld. Stell dir vor. Bei diesem Pack war ich zehn Tage. Aß in der Bar, irgendwelches gottverdammte dänische Smørrebrø. Und dann das ewige Versteckspiel, um zu verhindern, dass einer aus der Mannschaft zu Oma zu Besuch käme. Man war ja damals noch nicht so selbstsicher; das hätte einen schwer getroffen, wenn jemand aus der Mannschaft gesehen hätte, was für ein Pack das war, bei dem man sich da aufhielt. Bei einer Oma im Strohrock.
    So ungefähr waren die Geschichten, die Bóbó erzählte, während der Bus mit schwerem Brummen seinen Weg durch die Nacht nahm. Die meisten Fahrgäste schliefen, und es war nichts zu hören außer der Stimme meines Halbbruders, angeberisch und selbstzufrieden, und Mannis Zwitschern, der immer nur die gleichen Phrasen wiederholen konnte: – Das ist genial. Das ist ein Masterpiece. Oh oh! Bis Bóbó aufhörte zu reden und einschlief, und da hatten Manni und ich auch kein Gesprächsthema mehr und schliefen ebenfalls ein.
     
    Gegen Mittag hielten wir in einer gemütlichen kleinen Stadt. Das Wetter war gut, und wir beschlossen, den Bus fahren zu lassen und dort einen Teil des Tages zu verbringen. Wanderten eine Weile in der Nähe der Bushaltestelle herum, während Bóbó sich umsah; er entdeckte eine Bar, die Billard und Kartenspiel anbot, und wir ließen uns darin nieder. Manni war immer noch glänzender Laune, jedes zweite Wort,
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