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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land
Autoren: Einar Kárason
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hinauf, setzten uns auf einen Sockel und sahen uns um. Auf der Straße unter uns hatte es einen Unfall zwischen zwei Taxis gegeben, und Schreien und Rufen drang von unten herauf. In dem Moment wurde mir mit der Spitze eines Schlagstocks auf die Schulter getippt, und ein Mann in Uniform stand dort. Auf den Treppen sitzen ist verboten. Wir standen auf und versuchten, Einwände vorzubringen, aber der Mann hörte uns gar nicht zu. Wartete einfach, bis wir unten auf dem Bürgersteig angekommen waren, dann verschwand er wieder im Tempel.

    Ein schwarzer Typ mit Brille sah uns zweideutig und spöttisch grinsend an. Fragte, ob wir von der Treppe vertrieben worden seien. – Ja, sagte ich, so steht es um die Menschenrechte heute.
    – It’s no human rights man, it’s human fuck ups, antwortete er. Streckte uns dann die Zunge raus und verschwand in der Menge.
    Der Hunger meldete sich, und wir gingen in einen Hühnchengrill dort mitten in Manhattan. Alles aus Plastik, weiß und gelb; die Stühle, die Tische, die Wände, alles von einer Fettschicht überzogen. Auf beiden Seiten der Verkaufstheke standen mehrere Leute, doch der Verkauf lief stockend. Manni setzte sich an einen Tisch, und ich wollte etwas holen gehen, aber die Leute an der Kasse waren beschäftigt. Dann kam Manni, stellte sich neben mich und sagte, er habe Angst vor einem Typen, der zwischen den Tischen herumlief und bettelte. Der schien um die dreißig zu sein, groß und glatzköpfig, mit einem Verband um den Kopf. Mit langen Schritten ging er auf und ab, in ausgetretenen Lederstiefeln und einer löchrigen Felljacke und rempelte die Leute an. Geld wollte er. Wir wären hinausgeflüchtet, wenn sich nicht in diesem Augenblick eine schlecht gelaunte Verkäuferin zu uns umgedreht und uns gefragt hätte, was wir wollten. Zögerlich brachte ich es vor, aber da hörte sie gerade nicht hin, sondern war mit einem der anderen Angestellten in Streit geraten. Daher mussten wir warten, und schließlich wandte sie sich wieder uns zu und wiederholte ihre Frage, als ob sie nicht bereit sei, diese Sache noch lange mitzumachen.
    Als wir uns mit unseren Leckereien endlich an einem der fettüberzogenen Tische niederlassen konnten, hatte der große Bettler angefangen, in dem Restaurant aufzuräumen, Papierteller und Servietten zusammenzufegen und in einen Müllsack
zu schütten; dabei griff er auch Mannis und meinen Teller mit den noch unberührten Grillhühnchenteilen und warf sie einfach in den Müll. Er tat es trotz Mannis Protest. So dass wir uns verzogen, genauso hungrig wie zuvor, bitter und beleidigt.
    Bóbós Adresse lag in Manhattan. Manni und ich fanden uns mittlerweile in diesem einfachen Straßengittersystem der Stadt zurecht und sahen, dass es gar nicht so weit war, dorthin zu laufen. Außerdem war es sehr belebend, wieder an die frische Luft zu kommen, und wir zogen los.
    – Ob das nicht teuer ist, in Manhattan zu wohnen?, fragte Manni. – Bóbó muss wohl irgendwelche Einnahmen haben?
    Ich war mir nicht sicher. Hatte zuletzt von ihm gehört, als er vor zwei Monaten in Island anrief und mich bat, ihm das Geld zu schicken, das er als Behindertenrente bekam, weil eines seiner Beine von Geburt an kürzer war als das andere. Er schien irgendwie davon zu leben, dass er Billard spielte, aber was bedeutete das?
    Der kurze Weg war länger, als wir gedacht hatten, und der Weltstadtglanz verblasste langsam, je länger wir gingen. Die Häuser wurden baufällig, und an einer Stelle stieg schwarzer Rauch aus einer lichterloh brennenden Mülltonne in einem Durchgang zwischen den Häusern auf. Als ob nichts natürlicher wäre. Langsam überkamen uns Zweifel, ob es richtig wäre, sich noch weiter in dieses Gebiet hineinzuwagen, aber da waren wir schon beinahe bei seinem Haus angekommen. Und hier stand es also, ein schäbiges, zweistöckiges Backsteinhaus, irgendwann zu Urzeiten das letzte Mal verputzt.
    Wir wollten die Treppen hoch und anklopfen oder klingeln, aber ein Kerl mittleren Alters saß in einem schmutzigen Unterhemd auf einem Küchenstuhl vor dem Haus und trank Bier. Hässlich, unfrisiert und bösartig. Scharf und heiser fragte er, wohin verdammt noch mal wir wollten.

    Wir versuchten zu erklären, wo wir hinwollten, klar und höflich, aber für ihn war es ausgeschlossen, dass wir uns dort irgendwo auf den Treppen herumtrieben. – Kommt nicht in Frage! Nein, dort wohnt kein Bóbó. Noch viel weniger ein Halldór Halldórsson. Und wir waren erstaunt und verwirrt,
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