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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land
Autoren: Einar Kárason
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Amerikanische Nacht
    Wir waren im Gelobten Land gelandet, und ich blickte mich neugierig und mit großen Augen um, doch ich sah vor allem Wände. Überall hingen Schilder mit verschiedenen Vorschriften, und eines von ihnen verbot das Spucken. No spitting.
    Ich gelangte unbehelligt durch die Passkontrolle am Kennedy-Flughafen, aber Manni, mein Reisegefährte, geriet in Schwierigkeiten. Man hatte uns in der Botschaft zu Hause Anträge ausfüllen lassen, in denen wir angeben mussten, ob wir unter Geschlechtskrankheiten litten, drogenabhängig waren, an den Judenverfolgungen teilgenommen hatten oder Mitglieder einer kommunistischen Vereinigung waren. Manni bejahte diese letzte Frage; er war irgendwann in seinen Jugendjahren ein paar Mal zu Versammlungen der Maoisten gegangen. Damals hatte er gerade aufgehört, die Bahai-Gemeinde zu besuchen, und angefangen, mit der Philosophischen Gesellschaft zu liebäugeln. Er bekam nur irgendeinen vorläufigen Stempel in seinen Pass wegen dieser Sache mit den Maoisten und musste sich auf dem Weg durch das Goldene Tor in die Vereinigten Staaten dafür rechtfertigen. Versuchte dabei, einen Gesichtsausdruck zu zeigen, als sei er persönlicher Verfolgung ausgesetzt, sehr stolz auf seine Wichtigkeit. Männern des Geistes wird überall mit Misstrauen begegnet. Wir anderen sind allen egal.

    Wir fuhren mit der Subway hinein nach Manhattan und waren zufrieden mit uns selbst, weil wir unterwegs weder verprügelt noch ausgeraubt worden waren. Nervös hielten wir uns an den Griffschlaufen fest und sahen uns dauernd mit ängstlichen Blicken um. Äußerst glücklich, unseren Bestimmungsort erreicht zu haben, checkten wir uns im Hotel ein. Ich sprang unter die Dusche, während Manni anfing, herumzusuchen und überall zu kramen, wo doch nichts Besonderes zu finden war.
    Wir hatten uns fest vorgenommen, meine Oma hier in Amerika zu besuchen. Die Oma Gógó. Eine Frau, die ich vielleicht nie gekannt hatte. Sie wohnte weit landeinwärts, ein- oder zweitausend Kilometer weit weg, in der Nähe des Großen Stromes. Ich hatte den Namen eines Dorfes oder Bezirks aus einem Brief bei mir, den sie Uroma vor mehr als einem Jahr geschickt hatte; das war nun nicht sehr genau und die Alte immer auf Achse. Aber Bóbó, mein Halbbruder, war auch hier, und der würde uns vielleicht helfen; ich hatte seine Telefonnummer und irgendeine Adresse in New York. Ich rief gleich an, als ich aus dem Bad kam, mit einem Handtuchturban auf dem Kopf. Aber keiner ging bei ihm ans Telefon.
    – Das fängt ja nicht sehr vielversprechend an, sagte Manni, und begann, vor sich hinzuseufzen und zu stöhnen. Er hatte seine Schatzbriefe verkauft und größtenteils die Tickets für uns beide bezahlt. Manni hatte große Zweifel, ob dieses Geld gut angelegt war. Aber es gab keinen Grund, sofort alle Hoffnung aufzugeben, also breiteten wir einen Plan des Stadtzentrums auf dem Fußboden aus. – Hier sind wir, Kreuzchen. Direkt neben dem Pan Am-Gebäude. Die Straßen sind alle nummeriert wie die Gräberreihen auf einem Friedhof. Wir beschlossen, zum Broadway hinunterzugehen.
    Der Geruch von Leuten lag in der Luft; ein Geruch von Leben, vermischt mit Autoabgasen und dem Duft von heißem
Frittierfett. Die Häuser waren so groß, dass wir sie gar nicht wahrnahmen. Auf allen Seiten waren nur Wände, und darüber der Himmel. Die Straße regennass, und Autos hupten durchdringend.
    Wir sahen uns einige Schaufenster an, und Manni regte sich darüber auf, dass die Sachen hier überhaupt nicht billiger waren als zu Hause. Er hatte vorgehabt, ein winziges Tonbandgerät zu kaufen, Spionagewerkzeug zu Forschungszwecken. Schließlich fing er ein großes Geschrei vor den Ladenfenstern an und schüttelte immer und immer wieder den Kopf, als wir endlich weitergingen. Also kauften wir uns nur Schreibblöcke mit Spiralbindung und einfache Kugelschreiber, an einem kleinen Zeitungskiosk am Straßenrand; ich liebäugelte nämlich mit der Idee, mir zu bemerkenswerten Erlebnissen vielleicht ein paar stichpunktartige Notizen zu machen und dann einen Reisebericht für eine Zeitschrift oder eine Wochenendbeilage zu schreiben. Ich sah mich um und versuchte, mich zu orientieren und einen Überblick zu bekommen, aber alles war nur ein großes Durcheinander.
    Dort war der Posttempel. Ionische Säulen oder dorische, an einem Prachtbau aus der Blütezeit des antiken Athen, und auf dem Giebel in riesigen Buchstaben U.S. Mail. Wir gingen die Marmortreppen zum Tempeleingang
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