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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land
Autoren: Einar Kárason
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nervösen Charakters zu sein, als den ich ihn mein ganzes Leben gekannt hatte.
    Doch Manni war in äußerst aufgeräumter Stimmung, lachte zu allem, was Bóbó sagte, sah ihn mit tränennassen Augen an undsagte ständig: – Das ist einfachgenial! Dasist einfach genial! Und Bóbó kam ebenfalls in Fahrt, bestellte mehr Bier und hörte auf, mit dem Ring an sein Glas zu schlagen, und als er hörte, dass wir Oma und Onkel Baddi zu Forschungszwecken besuchen wollten, fing er an, uns Familiengeschichten zu erzählen.
    Vieles kannte ich natürlich schon oder hatte es selbst miterlebt, aber Bóbó gewann den meisten Geschichten neue Aspekte ab. Manches hatte ich auch noch nie gehört, wie zum Beispiel die Geschichte, wie er irgendwann vor drei Jahren einmal mit dem Flugzeug von Nordisland in Reykjavík ankam:
    – Grettir, mein Stiiiefvater (Bóbó spricht immer nur in höhnischem Ton von Papa), holte mich vom Flughafen ab. Er stand einfach da, der arme Alte; ich fand das zwar nett, dass er mir so nachrannte, aber fand ihn auch gleich wieder so hängeschultrig und gebeugt und deprimiert. Mehr als sonst. Dachte mir gleich, dass seine Alte, also dass die Mama ihm mal wieder irgendwie das Leben schwermachte. Also frag ich ihn, als wir so nach Hause fahren, ob alles in Ordnung ist, und ich merke an allem, dass irgendwas nicht stimmt. Na ja, und am Ende kommts raus. – Ach, im Moment geht alles drunter und drüber!, sagt der Alte. – Drunnnter und drüüüber!, wie er sagt. Atmet schwer aus und stöhnt. – Vor ein paar Tagen, da war die Schwiegermama hier, die Gógó, deine Oma. Und die ist einfach eine verdammte Schlampe, die Alte! Hör mal, kannst du dir das vorstellen, behauptet die alte Fotze doch tatsächlich, ich hätte versucht, sie zu ficken!
    – Was sagst du da?!
    – Jaaa! Pass auf, das war der sechzigste Geburtstag von der Schwarzen Lilli, der sollte im Süden, im Fluuughafenrestaurant von Keflavík gefeiert werden, und die beiden wollen dahin, deine Mama und die Gógó, deine Oma. Jaaaja! Ich biete noch an, sie dahinzufahren. Machs auch noch. Scheiß Regen und Kälte, ist schließlich auch schon November. Guuut! Ich komm nach Hause und leg die Füße hoch, seh ’n bisschen fern und will eben ins Bett gehn, kurz vor eins, warte nur noch auf die Wettervorhersage im Radio, da klopfts! Pass auf! Da steht die Gógó, deine Oma, vor der Tür, stockbesoffen, die alte
Sau. Klatschnass draußen im Regen. Keine Ahnung, wie sie in dem Zustand zurück in die Stadt gekommen ist! Deine Mutter nirrrgendwooo zu sehn! Na, ich lass sie natürlich rein, versuch ihr Kaffee zu geben und sooo, anstatt sie draußen in der Kälte umkommen zu lassen. Und der Dannnk dafür: Sie erzählt deiner Mama, als die gegen Morgen nach Hause kommt, dass ich versucht hätte, sie zu ficken!
    – O Scheiße, Mann! Und wie hat Mama drauf reagiert?
    – Die?! Die hat ein halbes Glas Tryptysol geschluckt. Das haben sie ihr aus dem Magen gepumpt, im Stadtkrankenhaus, und da musste sie dann noch eine Woche bleiben! In der Psychiatriiie!
    – Das war doch sicher nicht gut für sie?
    – Ja, ich weiß nicht. Sie redet jetzt davon, als ob sie auf irgendeinem … einem … ääh, Seminaaar gewesen wäre! Jedenfalls weiß sie jetzt alles über Nervenheilkunde!
    An dieser Stelle fiel Manni vom Stuhl, so sehr lachte er. Weinte vor Lachen, feuerrot im Gesicht. Er hatte einen totalen Lachkrampf. Ich fand das alles gar nicht so witzig. Hatte eher das Gefühl, dass Bóbó mich eigentlich schlechtmachte damit, dass er solche Idiotengeschichten von Papa erzählte. War halbwegs beleidigt. Aber Manni und Bóbó waren so gut drauf; Bóbó selbstverständlich zufrieden damit, dass seine Geschichten solchen Erfolg hatten, und Manni musste dann natürlich auch was erzählen. Er erzählte deshalb eine Geschichte, die ich schon tausendmal gehört hatte, wie er im letzten Jahr zu einer Feier im Hotel Borg wollte, kurz bevor Onkel Baddi hierher nach Amerika fuhr; er stand an in der Schlange am Eingang und sieht auf einmal den Baddi, der da irgendwo hockt wie ein runtergekommener Obdachloser. Offensichtlich ohne Aussicht, mit normalen, zivilisierten Bürgern an einer Feier teilzunehmen. Das hat mich getroffen, sagt
Manni, diesen tollen Typen da so ausgestoßen in irgendwelchen Fetzen rumhängen zu sehen, also sag ich zu ihm: –Baddi! Der härteste Kerl Islands! Komm, ich lad dich zu der Party ins Hotel ein. Und da sagt Baddi: – Das ist schon alles in Ordnung, Manni. Vergiss es
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