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Die Kunstjaegerin

Die Kunstjaegerin

Titel: Die Kunstjaegerin
Autoren: Elis Fischer
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Kapitel 1
    Wien, Mittwoch, 30. Oktober
    Wo war bloß der Notizzettel mit dem Namen des Restaurators?
    Theresa kämpfte sich durch die Stapel alter Prospekte, ungelesener Briefe und zerknitterter Zeitungen. Irgendwann musste sie die Unordnung im Vorzimmer in Angriff nehmen. Aber nicht heute!
    Sie schloss die Augen und spielte die Szene nochmals durch.
    Paul hatte gestern bei ihrem Treffen die Adresse seines Onkels aufgeschrieben und das Papier in den Spiegelrahmen gesteckt …
    Ah, da war er doch: ›Rembert Wenz, Restaurierung & Antiquitätenhandel, Zirkusgasse 30, 2. Bezirk‹.
    Wenn sie sofort losfuhr, würde sie es noch rechtzeitig schaffen, Dino mittags vom Kindergarten abzuholen. Ein schneller Blick in den Spiegel, die widerspenstigen Haare mit einem Gummi gebändigt, die dunkelbraune, speckige Lederjacke übergeworfen, das reichte, um einigermaßen passabel auszusehen.
    Am Auto angekommen, schob sie das Bild auf den Rücksitz.
    Leon hatte es gestern noch sorgfältig verpackt. Zum Glück, dachte Theresa, als sie die kleinen Flocken beobachtete, die vom Himmel schwebten. Fröstelnd stieg sie in ihren klapprigen VW Sharan. Der erste Schnee in diesem Jahr. Typisches Allerheiligenwetter, da würden sie am Friedhof wieder frieren.
    Nachdenklich lenkte Theresa den Wagen durch die engen Gassen des 2. Bezirks. Sollte Dino diesmal mitkommen? Beim Begräbnis war er auch nicht dabei gewesen. Sie schüttelte den Kopf. Nein, er konnte bei Leon bleiben. Ein VaterSohn-Vormittag tat den beiden gut. Ihr Mann arbeitete ohnehin zu viel und sah Dino zu selten.
    Die altmodische Bronzeglocke über der Eingangstür kündigte ihren Besuch an. Theresa lehnte ihr Bild neben eine verstaubte Staffelei und atmete den Duft von modrigem Holz und feuchter Ölfarbe ein.
    In der Mitte des Geschäfts standen zwei verschnörkelte Eichentische.
    Überhäuft m it  vergoldeten  Kerzenleuchtern,  geschnitzten Engelsköpfchen und kleinen Marmorskulpturen, glich der Anblick den sorgfältig arrangierten Stillleben alter Meister.
    Theresa nahm eine kleine Pan-Figur aus Elfenbein in die Hand.
    Sein boshaftes Grinsen erinnerte sie an ihre Freundin Flora, wenn sie mit Paul stritt.
    Ein Kribbeln im Nacken, ein Gefühl, dass jede ihrer Bewegungen genau registriert wurde, ließ sie den Hirtengott schnell wieder hinstellen. Unsicher blickte sie nach links und rechts. Diese latente Paranoia verfolgte sie seit Tagen. Schließlich entdeckte Theresa ihren Beobachter. Unbeweglich, einer ägyptischen Gottkatze gleich, thronte ein Siamkater auf einer Glasvitrine. Mit halb zugekniffenen Augen starrte er sie an. Wie ein Grabwächter aus längst vergangener Zeit, dachte Theresa. Wäre er ein Mensch gewesen, sie hätte ihn nicht gemocht.
    »Hallo?«, rief sie zögerlich, erhielt jedoch keine Antwort. Sie versuchte, den durchdringenden Blick des Tieres zu ignorieren, und näherte sich langsam dem Glasschrank, um den Silberschmuck zu betrachten. Der Kater riss sein Maul auf und gähnte gelangweilt.
    »Brauchst gar nicht so überheblich zu tun«, zischte ihm Theresa zu.
    Endlich hörte sie jemanden die Treppe heruntersteigen. »Ich bin gleich da!«, ertönte eine tiefe Stimme. Quietschend öffnete sich die Tür neben der Vitrine und ein älterer, hünenhafter Mann betrat den Raum.
    »Entschuldigen Sie die Wartezeit, aber vielleicht konnten Sie in der Zwischenzeit einige Preziosen finden, die Sie kaufen möchten.
    Schneller habe ich es leider nicht geschafft, gefahrlos diese Hühnerleiter, die der Vermieter Treppe nennt, aus meinem Atelier herunterzuklettern.« Er schnaufte. »Irgendwann werde ich mir noch den Hals brechen.«
    ›Ja, vor allem wenn Sie weitertrinken‹ war Theresa versucht zu sagen, verkniff es sich jedoch im letzten Moment. Ein ausschweifendes Leben hatte im Gesicht des Restaurators Spuren hinterlassen. Man sah, dass er gutes Essen und vor allem ein gutes Glas Wein zu schätzen wusste, denn violette Äderchen zeichneten sich deutlich auf seiner Nase ab. Doch die buschigen weißen Augenbrauen, die Lachfältchen und das Strahlen in seinen Augen machten Rembert Wenz sympathisch. Was hatte Paul noch über seinen Onkel erzählt? Dass er zu keiner gut dotierten Pokerrunde Nein sagen konnte. Und wenn schon, dachte Theresa, sie spielten doch alle gerne.
    Sie gab dem Restaurator die Hand und sagte: »Paul hat mich zu Ihnen geschickt. Ich bräuchte Ihren Rat.« Theresa deutete auf das Gemälde neben ihr.
    »Der gute Junge. Denkt immer noch an mich«, murmelte Wenz
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