Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)

Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)

Titel: Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
Autoren: Lisa Desrochers
Vom Netzwerk:
[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 1 Erbsünde
    Luc
    Sollte es eine Hölle auf Erden geben, dann ist es mit Sicherheit die Highschool. Und wenn jemand das beurteilen kann, dann ich!
    Ich hole einmal tief Luft – unnötig eigentlich, denn selbstverständlich müssen Dämonen nicht atmen – und schaue hoch zum Himmel, an dem sich drohend dunkle Wolken ballen. Ein gutes Zeichen. Schwungvoll ziehe ich die schwere Tür auf. Die schäbige Eingangshalle ist menschenleer, denn zur ersten Stunde hat es schon vor ungefähr fünf Minuten geläutet. Nur ich bin da, der Metalldetektor und ein buckliger Wachmann in verknitterter blauer Uniform. Er rappelt sich aus seinem Plastikstuhl auf und mustert mich finster.
    «Du kommst zu spät. Name?», krächzt er mit der Stimme eines jahrelangen Kettenrauchers.
    Ich schaue ihn nur stumm an, diesen Kerl könnte ich mit einem einzigen Hauch umblasen. Als sich auf seiner bleichen Stirn Schweißperlen bilden, grinse ich in mich hinein. Gut zu wissen, dass ich immer noch in Form bin, denn dieser Job zehrt echt an den Nerven. Fünftausend Jahre der gleiche Trott, das macht selbst einen Dämon fertig. Aber wenn ich die Sache hier versiebe, werde ich einen Kopf kürzer gemacht und lande im Fegefeuer. Das sollte als Motivation genügen.
    «Luc Cain. Ich bin neu.»
    «Tasche auf den Tisch.»
    Schulterzuckend zeige ich ihm meine leeren Hände.
    «Dann den Gürtel mit den Nieten.»
    Ich öffne meinen Gürtel, werfe ihn dem Alten hin und trete durch den Metalldetektor. Der Typ gibt mir den Gürtel zurück und hustet sich Schleim aus dem Rachen. «Und jetzt ab ins Sekretariat, das ist dahinten.»
    «Kein Problem», antworte ich, während ich im Weitergehen meinen Gürtel wieder anlege.
    Als ich die Bürotür aufstoße, knallt sie gegen eine Wand, die schon reichlich angeschlagen ist. Die uralte Schulsekretärin schaut erschrocken auf. «Kann ich Ihnen helfen?»
    Das Büro ist ein genauso dunkles Loch wie die Eingangshalle, mit Ausnahme der knallbunten Notizzettel, die jeden Zentimeter der Wände bedecken, als wäre es eine psychedelische Tapete.
    Dem Schild auf dem Tisch entnehme ich, dass die Sekretärin Marian Seagrave heißt. Während sie sich mühsam in die Höhe stemmt, knirscht es in ihren Gelenken. Ihr runzliges Gesicht wird von bläulichen Kringellocken eingerahmt. Der rundliche Körper ist in die typische Kleidung alter Menschen gehüllt: türkisfarbene Polyesterhose und geblümte Bluse, stramm gezogen und ordentlich in die Hose gesteckt.
    Mit lässigem Schritt trete ich an den Tresen und beuge mich zu ihr. «Luc Cain. Heute ist mein erster Tag.» Dabei setze ich das Lächeln auf, von dem ich weiß, dass es Sterbliche aus der Fassung bringt.
    Ms. Seagrave verschlägt es erwartungsgemäß den Atem. Sie starrt mich einige Sekunden lang sprachlos an, dann murmelt sie: «Oh – willkommen auf der Haden High, Luc. Warten Sie, ich – ich gebe Ihnen Ihren Stundenplan.»
    Ms. Seagrave sinkt auf ihren Stuhl zurück und tippt auf der Tastatur ihres Computers. Der Drucker erwacht summend zum Leben und spuckt meinen Stundenplan aus. Den gleichen, den ich schon seit hundert Jahren habe, seit Beginn des modernen Erziehungssystems. Trotzdem gebe ich mir Mühe, Interesse zu heucheln. Ms. Seagrave überreicht mir den Ausdruck und einen Zettel. «Hier der Plan und da die Nummer Ihres Schließfachs mit der Kombination. Die erste Stunde haben Sie leider verpasst, die nächste beginnt in wenigen Minuten. Das wäre dann – ähm, Englisch bei Mr. Snyder. Raum Nummer 616. Der liegt in Gebäude sechs, aus der Tür und dann gleich rechts.»
    «Schönen Dank.» Ich lächele artig, denn sich mit der Verwaltung gut zu stellen, kann nicht schaden. Man weiß nie, wann man die Leute mal braucht.
    Es klingelt, kaum dass ich aus dem Büro bin. Gleich darauf fluten menschliche Teenager über die Flure. Ihre Ausdünstungen schlagen mir wie Wellen entgegen: das beißende Zitronenaroma der Angst, der bittere Knoblauchgeruch des Hasses, eine Schwade Anis, die Neid und Eifersucht verrät, und Ingwer – der Geruch der Begierde. Beste Voraussetzungen, würde ich sagen.
    Doch um eins klarzustellen: Ich arbeite zwar im Bereich Akquisition, aber ich zwinge die Leute zu nichts. Meine Aufgabe ist nur, den Samen zu säen und meinen Opfern den Weg zum Höllenpfad zu weisen. Meist gelingt das durch Kleinigkeiten, Einstiegssünden sozusagen. Sie reichen nicht aus, um ihre Seelen der Hölle einzuverleiben, aber doch, um sie in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher