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Die Kunstjaegerin

Die Kunstjaegerin

Titel: Die Kunstjaegerin
Autoren: Elis Fischer
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Regenbogenmaschine war fertig, mehr würde sie heute sowieso nicht mehr schaffen.
    Sie fuhr ihren Laptop hoch und öffnete die digitalen Fotos des Gemäldes. Am unteren Rand stand ein silbernes Gefäß mit reicher Goldverzierung. Widderköpfe schmückten seine bauchige Mitte, den Henkel bildete ein Zwitterwesen aus Mensch und Fisch. Rechts neben dem Kelch befanden sich ein flacher Teller sowie eine kleine Schüssel. Maler benutzten oft die gleichen Dekorationsgegenstände für mehrere ihrer Bilder. Wenn sie diese Krüge auf einem anderen Gemälde von Sustermans fände, wäre bewiesen, dass er die ›Krönung‹ gemalt hatte.
    Das Knarren der alten Haustüre schreckte sie auf.
    »Hilfe, ich sehe nichts mehr!« Leon stand unbeweglich im Vorzimmer, einen Karton voller Computerteile in der linken, seine Laptoptasche in der rechten Hand. Theresa nahm ihm die beschlagene Brille von der Nase, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
    »Danke. Es ist so kalt, man kann den kommenden Winter richtig riechen.« Er stellte die Kiste auf den Boden und zog die Baseballmütze vom Kopf. Seine kastanienbraunen, halblangen Haare standen nach allen Seiten ab. »Wo ist Dino? Wie geht es seinem Bein?«
    »Hat sich nur den Knöchel verstaucht, er schläft im Wohnzimmer.«
    »Gut«, flüsterte Leon. »Ich hab dir was mitgebracht. Schau mal nach.« Während er seinen schwarzen Parka sorgfältig aufhängte und etwas Unverständliches wegen der Unordnung im Vorzimmer murrte, fischte Theresa einen prächtigen Kunstband über Barockmalerei aus seiner Tasche.
    »Wunderbar, das hält mich wieder von meiner Arbeit ab.« Sie lächelte ihn spitzbübisch an. »Bist du hungrig?«, fragte sie auf dem Weg in die Küche.
    Leon folgte ihr. »Nein, danke. Ich habe übrigens Oliver am Kohlmarkt getroffen. Bei ein paar Tramezzini haben wir über dein Bild gesprochen. Er macht mir ein, zwei Angebote für eine Versicherung.«
    »Was genau willst du versichern lassen? Das Gemälde eines unbekannten Meisters? Einen Sustermans? Einen möglichen Rubens? Ein Gemeinschaftswerk der beiden? Wir haben noch keine Bestätigung, von wem es wirklich ist. Der Restaurator meint, der Zettel allein reicht als Nachweis nicht aus. Von den Kunsthistorikern kam bis heute keine Antwort.«
    »Warten wir ein paar Tage ab«, sagte Leon und öffnete eine Flasche Wein »Ich wollte nur wissen, ob unsere Haus-haltsversicherung ausreichen würde oder ob wir eine Spe-zialversicherung brauchen. Außerdem war es nett, mal wieder mit ihm zu plaudern, er ist ein witziger Kerl.«
    Theresa nickte etwas wehmütig. Ihr Leben spielte sich seit Dinos Geburt hauptsächlich zu Hause und auf den Spielplätzen der näheren Umgebung ab. Das Bild brachte wenigstens ein bisschen Abwechslung in ihr Leben. »Ich gehe nächste Woche mit Flora zu einer Auktion. Ein Sustermans soll für 120.000 Euro versteigert werden.«
    Leon pfiff durch die Zähne. »Wenn ich Zeit habe, recherchiere ich, ob noch andere Sustermans in den letzten Jahren verkauft worden sind.«
    Theresa legte den Kopf schief und beobachtete ihren Mann, wie er genussvoll einen Schluck Wein trank. Es schien ein guter Tag für ihn gewesen zu sein, ohne allzu viele Computerabstürze oder Systemausfälle. Leon war IT-Experte und kam immer dann zum Einsatz, wenn absolut nichts mehr funktionierte. Als Ausgleich zu seiner Arbeit in stickigen Serverräumen verbrachte er die meisten Sonntage freihängend in Österreichs Steilwänden. Theresa hasste seine Liebe zur Kletterei. Konnten sich seine Abenteuer nicht wie ihre im Kopf abspielen? Das war bei Weitem ungefährlicher.

Kapitel 2
    Pöllau in der Oststeiermark, Freitag, 1. November Abgehackt hallte die Stimme des Pfarrers aus den Lautsprechern und schien in der klirrenden Kälte zu gefrieren. Der Gottesdienst zu Allerheiligen fand wie jedes Jahr unter freiem Himmel an den Gräbern der Angehörigen statt. Und wie jedes Jahr war die Tonanlage auf dem Friedhof derart schlecht, dass sich die Worte in ihrem Echo verloren. So wie Theresa sich in ihren Gedanken. Sie versuchte die Erinnerung an ihren Vater wachzurufen. Sein Gesicht verblasste bereits, dabei war er erst vor sechs Monaten gestorben.
    Doch schon die Jahre davor hatte er sich verändert. Wieso hatte sie seinen schleichenden Verfall nicht bemerkt? Musste sie sich vorwerfen, zu sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt gewesen zu sein? Hatte sie zu wenig Zeit mit ihm verbracht?
    Sie wechselte von einem Bein aufs andere, um die Kälte aus den
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