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Das Gelobte Land

Das Gelobte Land

Titel: Das Gelobte Land
Autoren: Einar Kárason
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abgestempelt war. Nahmen ein Taxi und fragten nach einer billigen Übernachtungsmöglichkeit, und das Auto fuhr mit uns direkt zum YMCA, dem Christlichen Verein junger Männer.
    – Wir wirken wohl sehr gottesfürchtig, sagte Bóbó, der immer noch ganz aufgekratzt war. Er wünschte den Männern in der Lobby Gottes Segen, und als wir hoch in den Gang kamen, in dem unser Zimmer lag, trafen wir auf eine Gruppe schwarzer Teenager, die nach dem Takt der Discomusik aus einem riesigen, tragbaren Kassettenspieler ihre Turnübungen machten. Und Bóbó bat sie um Ruhe, sagte ihnen, er sei ein Missionar aus Skandinavien, und brachte die Jungen dazu, March On Christian Soldiers mit ihm zu singen – Vorwärts, christliche Soldaten. Und Manni und ich hielten uns die Bäuche und wurden beinahe blau vor unterdrücktem Lachen, versuchten aber, ebenfalls mitzuspielen, und verabschiedeten uns mit Pfadfindergruß von den Jungen, als wir gingen, um uns auf die knarrenden Soldatenpritschen in unserem Zimmer zu werfen, das einer Gefängniszelle glich.

Der Schweinehirt
    – Oma?!
    Ich bekam vor Lachen einen Bauchkrampf, als ich das Bóbó dort im Gang des YMCA-Hotels ins Telefon rufen hörte. Die Schwarzen vom Zimmer nebenan waren gerade dabei, ihre Morgengymnastik zu machen, und die Discomusik dröhnte aus dem Ghettoblaster, dass man kaum etwas hören konnte, außer eben, wie Bóbó OMA rief. Konnte das sein? Doch doch, er sprach Isländisch am Telefon, mit Oma, sein Gesicht verspannte und verzog sich ganz, und als er angestrengt lächelte, wurden seine Augen größer und trauriger, als ich sie jemals zuvor gesehen hatte. Manni und ich begannen zu klatschen, feierten wie die Schwarzen, zeigten auf Bóbó und hatten das Gefühl, uns würden gleich die Augen vor Lachen herausfallen, aber er gab uns ein Zeichen mit der Hand, wir sollten uns nicht so aufführen, und vereinbarte mit Oma, dass sie uns am Nachmittag abholen käme.
    Keine Nummer, keine Adresse. Manni und ich hatten große Geldsummen ausgegeben und den ganzen Weg zur Mitte des nächsten Kontinents hinter uns gebracht, ohne uns klarzumachen, dass wir vielleicht eine Nummer oder eine Adresse von diesen Leuten brauchen würden, und das Telefonbuch für den ganzen Bundesstaat war eine etwas größere Angelegenheit, als wir uns gedacht hatten. Die Telefonauskunft hatte
keine Gríma ólína Brown in ihren Verzeichnissen, noch weniger eine Gríma ólína Arnkelsdóttir; die amerikanische Stimme am anderen Ende der Leitung zeigte erstaunlich große Geduld, als ich versuchte, ihr alle diese unverständlichen Namen zu buchstabieren.
    Und eine Gógó Brown, versuchte ich hoffnungsvoll, doch leider nein, sagte diese liebenswürdige Frau bei der Auskunft.
    So eine Enttäuschung. Es wohnten viele Millionen in diesem Staat, und eine Viertelmilliarde im ganzen Land. Wir hatten uns in unsere Stühle fallen lassen, von Schmerz überwältigt, und dachten uns alle möglichen Wege aus, wie etwa die Botschaft in Washington anzurufen oder irgendwelche Isländervereinigungen, dabei wussten wir, dass das hoffnungslos war, denn obwohl Oma schon Jahrzehnte hier westlich des Atlantiks lebte, war sie sicher nie in Kontakt mit solchen Organisationen gekommen. Aber dann hatte Bóbó die Idee, dass wir nach Klara, Omas Tochter, fragen könnten; obwohl Klara etwas komisch sei, wäre es der Alten zuzutrauen, ihr Telefon unter dem Namen ihrer Tochter anzumelden. Ich fand das zwar hoffnungslos, sagte aber, er könne es ja mal versuchen, und bei der Auskunft gab es tatsächlich eine Klara Louise Brown, die Nummer, unter der Oma sich meldete. So dass es sich eigentlich schon gelohnt hatte, das lahmende Untier mitzunehmen.
    – Was hat sie gesagt?
    – Bist du es, Kind?!
    – Hahahaha …
     
    Am Nachmittag hatte sie gesagt, wollte sie kommen. Allgemein bedeutet das nur nach Mittag, und da es schon elf war, checkten wir gleich aus, damit wir für die Divane in diesem Stall nicht noch eine Nacht bezahlen mussten, und warteten unten in der Empfangshalle.

    Keine Bar, wie auch sonst in keiner CVJM-Herberge, also saßen wir auf ein paar gottverdammten Stühlen, die dort herumstanden, und waren wenig dazu aufgelegt, mit den merkwürdigen Leuten zu schwatzen, die sich an diesem Ort aufhielten. Wenn wir etwas sagten, rissen sie ihre Augen auf und schienen uns zu verstehen, um dann zu fragen, wo wir herkämen, und wenn diese Pimpelliesen wenigstens eine Bar gehabt hätten, so dass man sich bei einem Glas Bier hätte
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