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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Autoren: Anna Fuchs
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Töpfeklappern vom Küchentrakt und dem Gackern der Hühner war nichts mehr zu hören. Langsam ging der Jüngling zum Falkenhaus. Die Ställe waren leer, die Raubvögel wahrscheinlich schon dabei, das erste Wild des jungen Tages in reißendem Flug zu schlagen. Doch ganz in der Ecke war noch ein Käfig besetzt. Mit leisen, einschmeichelnden Worten ging der junge Mann zum Verschlag und griff mit geübter Hand nach dem jungen Terzel, einem männlichen Wanderfalken. Wie immer konnte er sich nicht sattsehen an der Geschmeidigkeit und Schönheit dieses Vogels. Er hatte ihn fasten lassen, das kleine Tier hungerte nun schon ein paar Tage. Ein erster Schritt, ihn gefügig zu machen und für die Ausbildung vorzubereiten. Ruhig sprach der Jüngling mit ihm: »Du verachtest die Menschen, ihr Geschrei, ihr Getue, ihren Gestank. Du lebst allein, und niemand versteht dich wirklich. Sie lassen dich hungern, um deine Wildheit zu bändigen. Sie binden dich fest, damit du nicht entfliehst, und sie stülpen dir die Haube über die Augen, dass du stolzes Tier im Dunkeln tappen musst und die Welt und die Freiheit um dich herum nicht siehst.«
    Während er sprach, berührte er den jungen Vogel sanft. Geduldig sprach er weiter und gab ihm ein wenig Fleisch, nur ein bisschen, nicht um seinen Hunger zu stillen, sondern um ihn gefügig zu machen und ihm die Hoffnung zu geben, dass er noch mehr bekommen könnte. Neugierig neigte der Vogel den Kopf, sah mit seinen dunkelbraunen Augen mit den gelben Lidern zum Jüngling auf.
    »Aber stark bist du, viel stärker als die Menschen, du kennst kein Selbstmitleid, keine Furcht, voller Selbstvertrauen bist du, sogar am Rande des Todes bist du mutig und stark …«
    Der Vogel streckte seine schwarz-weiß gesprenkelten Flügel und entspannte sich. Beruhigend sprach der junge Mann weiter.
    »Bald wirst du meterhoch in die Lüfte flattern, reglos über deiner Beute verharren und dann …«, der junge Mann keuchte vor Vorfreude »wirst du dich mit ungeheurer Geschwindigkeit und halb geöffneten Schwingen zu Boden stürzen, geradewegs in die Flugbahn deines Opfers.« Wieder strich der junge Mann über das glatte Gefieder des Wanderfalken, um ihn an die menschliche Berührung zu gewöhnen. Erregt sprach er weiter:
    »Bevor diese niedrige Kreatur überhaupt merkt, was geschieht, wirst du sie mit den Klauen ins Rückgrat schlagen und damit …«, hier strich der Jüngling sanft über den gelben Schnabel des Tieres und fühlte die spitze, zahnartige Ausbuchtung auf beiden Seiten des Oberschnabels, »die Schädeldecke mit einem einzigen Hieb sprengen.«
    Der Mann leckte sich die Lippen und gurrte vor Vergnügen.
    »Niemand kann deinen Geist brechen, du hast keinen Instinkt zum Gehorsam. Du tötest den, der dir im Weg ist, du bist der Stärkere. Und wenn du fliegst, bist du frei und hast genug Luft zum Leben … zum Atmen … bist frei …«
    Behutsam setzte der Jüngling den jungen Wanderfalken in seinen Verschlag. Kaum konnte er das Zittern seiner Hände unterdrücken. Längst schon hatte er die Grenze zwischen Wunsch und Wirklichkeit überschritten. Er selbst war der Falke, stand regungslos in der Luft und beobachtete mit scharfem Blick sein Opfer, bereit zuzustoßen, bereit zu töten.

    Mein liebes Kind!
    Heute ist ein guter Tag in meinem ach so bedauernswerten Dasein. Dieses Labsal hast ganz alleine Du mir beschert, und dafür danke ich dir aus übervollem Herzen. Wie eine Gefangene, aller Lebensfreude beraubt, friste ich mein Dasein hier im Kloster. Doch heute, als ich mich auf der Empore, von der steinernen Säule vor ungebetenen Blicken geschützt, verbarg, da klopfte mein Herz wie rasend. Ich wusste, dass Du heute mit Deiner Ziehmutter kommen würdest, und betete zu allen Heiligen, dass dem auch wirklich so sein und der Allmächtige Gott nicht anderes an diesem Tag mit Dir vorhaben möge. Als ich Deine kleinen, kindlichen Füße auf dem Steinboden tapsen hörte, da wollte meine Brust schier zerspringen vor Freude, Dich zu sehen. Was bist Du doch für ein wunderschönes Kind geworden! Vielleicht wirst Du mir nie vergeben, wie forsch und herrisch ich in Dein ach so junges Leben eingegriffen habe … Ja ganz gewiss wirst Du mich eines Tages verfluchen und mein Handeln Hass und Härte zuschreiben. Doch gerade das Gegenteil hat mich dazu bewogen, Dich aus Deinem vorgezeichneten Leben zu werfen, ja, Dich gleich einem unbedeutenden Kieselstein weit wegzuschleudern und in ein ungewisses Schicksal fallen zu
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