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Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
Autoren: Antoinette Lühmann
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anderen Jungen lachten und prosteten ihm mit dem Krug zu.
    »Wenn dein Vater alle Schiffe versenkt, bleiben keine für große Reisen übrig«, konterte Nik.
    Was er gesagt hatte, tat ihm fast leid, als er sah, wie sehr er Luuk damit getroffen hatte. Luuks Vater hatte als Schiffbauer mit seinen Männern eine Fleute gebaut, die noch im Hafen von Amsterdam untergegangen war. Nur die Spitzen der drei Masten hatten zur Belustigung der Amsterdamer Bevölkerung noch aus dem Wasser geragt, denn der Rumpf des Schiffs war innerhalb weniger Augenblicke im Schlick der Amstel versunken.
    Eiskalte Wut stand Luuk so deutlich ins Gesicht geschrieben wie der Name eines Boots auf dessen Planken. Herausfordernd stemmte er die Hände in die Seiten und Niks Mitleid verschwand schlagartig. Im Handumdrehen war aus dem Geplänkel ein handfester Streit geworden. Anstatt Luuks höhnische Bemerkungen mit Gleichmut zu ertragen und darauf zu hoffen, möglichst unbeschadet davonzukommen, hatte Nik seinen ehemaligen Klassenkameraden mit seiner spöttischen Antwort aufs Blut gereizt und ihn in seiner Ehre getroffen. Er drehte sich zu Benthe um, doch sie saß noch immer stumm am Ufer und kümmerte sich nicht um den Streit.
    »Du wagst es …«, zischte Luuk und die anderen Jungen ließen den Krug auf die Straße fallen. Er zersprang in tausend Stücke und das dunkle Bier spritzte über ihre Stiefel. Sie traten zwischen Nik und die Tür zu seinem Haus und kamen langsam auf ihn zu.
    Nik drehte sich um und rannte, so schnell er konnte, die Straße entlang. Nach einigen Schritten blickte er über die Schulter: Die drei Jungen folgten ihm nach einem kurzen Moment der Überraschung. Benthe blieb allein am Ufer zurück.
    Nik lief über eine Brücke und bog um die nächste Ecke. Er hörte ein Sausen in der Luft und etwas schlug schmerzhaft gegen seine Schulter. Er taumelte kurz und sah sich um.
    Ein Stein lag hinter ihm auf der Straße. Die Jungen waren zurückgefallen, weil sie Steine aufhoben und nach ihm warfen. Nik bekam feuchte Hände und rannte noch schneller. Er bog mal nach links, mal nach rechts in enge Gassen ab, um seine Verfolger abzuhängen. Seine Beine zitterten. Die anderen waren es gewohnt, den ganzen Tag Baumstämme und Werkzeuge zu schleppen, aber er selbst kletterte nur ab und an auf das Dach und hob keinen einzigen Pfeffersack hoch.
    Als Nik um eine weitere Hausecke rannte, entdeckte er eine offene Kellerluke. Ein Fuhrmann beugte sich über seinen Wagen und stand mit dem Rücken zu ihm.
    Nik verlangsamte seinen Schritt und trat mit angehaltenem Atem hinter einen Baum. Er zögerte. Sein Herz klopfte hastig in seiner Brust und er presste die Hände in die schmerzenden Seiten. Er konnte nicht begreifen, wie aus harmlosen Neckereien in wenigen Wochen eine gefährliche Feindschaft geworden war.
    Die Schritte hinter ihm wurden lauter und ein Stein schlug krachend gegen die Mauer. Nik hielt den Atem an. Sie hatten die Hausecke fast erreicht. Luuk rief seinen Freunden etwas zu, das er aber nicht verstehen konnte.
    Bevor der Fuhrmann sich nach den Jungen umdrehen konnte, war Nik in der Kelleröffnung verschwunden. Er duckte sich hinter die Kisten und sog keuchend die Luft ein. Der Schatten des Mannes tauchte vor der Luke auf. Nik presste die Lippen aufeinander, um sich nicht zu verraten. Ein Sack fiel hinunter und wirbelte Staub auf.
    Dann schloss der Fuhrmann die Klappen und es wurde dunkel im Keller. Knirschend wurde der Riegel von außen vor die Holzbretter geschoben.
    Nik wartete, bis das Rumpeln der Räder erklang und der Fuhrmann sich entfernte. Schließlich war es draußen still. Langsam krabbelte Nik zur Luke und drückte von innen gegen die Klappen. Nichts rührte sich. Er versuchte, die Finger zwischen die beiden Flügel zu schieben, doch der Zwischenraum war zu schmal. Er fluchte. Das Licht der Straßenlaterne fiel durch den Spalt herein und erhellte einen schmalen Weg zwischen den Vorräten des Hausbesitzers. Nik suchte nach kleinen Holzstücken oder Nägeln, doch er konnte nichts entdecken, womit er den Riegel vor der Luke hochdrücken konnte.
    Er war eingeschlossen und hatte keine Ahnung, in wessen Haus er geflohen war.

Als sich Niks Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte er die Umrisse von Kisten und Säcken deutlicher und tastete sich zwischen ihnen zum Ende des Raumes hindurch. An der Wand stand ein mannshoher Verschlag und verbreitete einen mehligen, feuchten Geruch. Er steckte die Hand zwischen die Bretter und zog
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