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Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
Autoren: Antoinette Lühmann
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»Vielleicht hatte auch Flambert einen Verdacht, von dem der Bruder wusste und den vielleicht sogar der Hausherr selbst kennt. Wir haben uns in die Höhle des Löwen gewagt.« Gustav stützte sich mit einem Arm auf den Kisten hinter ihm ab und rieb mit der anderen über seinen schmalen Rücken.
    Nik versuchte, sein Gewicht zwischen den Vorräten von einem Fuß auf den anderen zu verlagern, ohne ein Geräusch zu verursachen. Doch seine Füße kribbelten, und die Hände, mit denen er sich an den Erbsen abstützte, fühlten sich bereits taub an. Er ballte die Finger langsam zur Faust und schloss die Augen.
    »Was ist mit Conrad?«, fragte Gustav. Er hatte sich wieder aufgerichtet.
    Der andere antwortete nicht.
    »Was ist mit Conrad?«, wiederholte Gustav.
    »Der sagt nichts mehr.« Stoff raschelte.
    »Hat er mit jemandem geredet? Ist er deshalb gestorben? Heinrich, du hast doch nicht etwa selbst …?« Gustav schluchzte auf und wenig später erklang ein leises Wimmern.
    Nik hätte sich gerne die Ohren zugehalten. Der Mann klang erschöpft und völlig verzweifelt und er hatte in den letzten Monaten zu viele erwachsene Männer weinen gehört. Doch er wagte nicht, sich zu bewegen. Seine Füße spürte er kaum noch.
    Wieder erklang die tiefe Stimme des weißhaarigen Mannes: »Er ist tot. Reden wir nicht darüber. Hier in Amsterdam fangen wir neu an.«
    »Heinrich?«
    »Ja.«
    »Wie ist er gestorben?«
    »Durch ein Messer im Rücken.«
    Nik hielt den Atem an. Ein Mann namens Conrad war ermordet worden und dieser Heinrich wusste verdächtig viel darüber!
    »Warum?« Gustav wimmerte nicht mehr, aber seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    Heinrich antwortete nicht.
    »Conrad hatte sich Sorgen gemacht um die vielen Lehrlinge, die in seiner Werkstatt krank geworden sind, und er hatte auch Angst wegen Flamberts Tüchern … die ganzen Unglücke, die sich plötzlich ereigneten … wenn wir nun doch etwas falsch gemacht haben …«, begann Gustav wieder.
    »Sei still«, fiel Heinrich ihm ins Wort. »Ich will nichts davon hören.«
    »Aber, Heinrich, wenn wir den Menschen Schaden zufügen … Die vielen Kranken und Toten …«
    »Hör auf! In London verrecken jeden Tag unzählige Menschen in ihren dreckigen Rattenlöchern. Beulen und Fieber waren auch schon vor uns da. Wir haben nichts damit zu tun.«
    Niks Herz klopfte laut und wild in seiner Brust. Er wandte den Kopf ab, damit sein hektischer Atem auf der anderen Seite der Tür nicht zu hören war, und wünschte, er könnte die Gesichter der Männer besser sehen.
    »Vielleicht doch …«
    »Wir haben Hunderte von Tüchern, Gläsern und Spiegeln verkauft. Es sind Kunstwerke von unbezahlbarer Schönheit. Du weißt das und die anderen auch.«
    »Aber, Heinrich …«
    »Conrad war ein Trinker und hatte sogar vor seinen eigenen Lehrlingen Angst.«
    »In seiner Werkstatt sind sie gestorben wie die Fliegen. Einer nach dem anderen. Er war besorgt und hatte die Gilde über seinen Verdacht informiert …«
    »Sei endlich still!« Heinrich klang nicht mehr besorgt oder tröstend. Er war wütend und schrie Gustav an. Seine Stimme, die gerade eben noch besänftigend geklungen hatte, war zu einem Donnergrollen angestiegen. »Wir haben einen Traum und das ist der Grund für unseren Zusammenschluss. Wir helfen uns mit Zutaten und suchen neue Rezepturen.« Als Heinrich fortfuhr, klang seine Stimme wieder ruhiger. »Erinnerst du dich nicht an die Sehnsucht nach dem Einzigartigen, die uns zusammengeführt hat? Spürst du sie nicht mehr?« Er trat auf Gustav zu und griff nach seinen Händen. »Ich erinnere mich an dein Verlangen, etwas Besonderes zu schaffen. Es hat dich dazu getrieben, das Haus deiner Eltern zu verlassen,die nichts anderes wollten, als das Bestehende zu bewahren. Aber wir, Gustav, wir wollen mehr. Wir können nicht aufhören, nach dem Außergewöhnlichen zu suchen. Flambert ist einer von uns und du bist es auch. Mit Leib und Seele. Aber Conrad war vom Weg abgekommen. Er hätte uns alle in Gefahr gebracht …«
    Dann war es still. Nik wagte noch immer nicht, sich zu bewegen.
    »Wir bringen kein Unglück«, behauptete er schließlich leise.
    »Heinrich …«
    »Wir bringen kein Unglück. Und wenn doch, haben es die Menschen nicht anders verdient. Dann haben sie Tücher getragen, die nicht für sie bestimmt waren, oder sie haben mit jemandem geredet, der das nicht hören durfte …«
    Niks Schläfen pochten und die Worte fügten sich in seinem Kopf zu einer ungeheuerlichen
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